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Im Mittelpunkt dieser Methode steht das Expertenwissen der Beschäftigten. Dieses Wissen bildet die Grundlage zur | Im Mittelpunkt dieser Methode steht das Expertenwissen der Beschäftigten. Dieses Wissen bildet die Grundlage zur Ermittlung der Belastungsfaktoren und der Anforderungen in den Unternehmen. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen im Anschluss in die betrieblichen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ein. | ||
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Aktuelle Version vom 28. August 2015, 13:07 Uhr
Die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten sind kostbare Güter. Die Veränderungen in der Arbeitswelt bewirken, dass heute auch psychische und seelische Belastungen die Gesundheit der Mitarbeiter angreifen. Jedes Unternehmen und beinahe jeder Arbeitsplatz weisen unterschiedliche Belastungsfaktoren auf. Hinzu kommt: die Belastungen werden individuell unterschiedlich wahrgenommen und auch individuell unterschiedlich verarbeitet. Ein Instrument zur Erhebung der Einflussfaktoren ist der Gesundheitszirkel.
Im Mittelpunkt dieser Methode steht das Expertenwissen der Beschäftigten. Dieses Wissen bildet die Grundlage zur Ermittlung der Belastungsfaktoren und der Anforderungen in den Unternehmen. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen im Anschluss in die betrieblichen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ein.
Die Methode "Gesundheitszirkel"
Eine gemischte Kleingruppe (beispielsweise: Werker, Führungskräfte, Meister, Sicherheitsfachkraft, Betriebsrat, Betriebsarzt, Betriebsleiter) trifft sich während der Arbeitszeit in regelmäßigen Abständen über eine begrenzte Zeit, circa acht bis zehnmal. Die teilnehmenden Mitarbeiter können auch durch ihre Kollegen gewählt werden.
Unter Leitung eines geschulten externen Moderators sollen sämtliche Arbeitsanforderungen im eigenen Arbeitsbereich, die die Beschäftigten als beeinträchtigend erleben, gemeinsam ermittelt und Lösungsvorschläge für ihre Bewältigung durch technische, organisatorische sowie personenbezogene Maßnahmen entwickelt werden.
Die ersten der rund zehn stattfindenden Sitzungen sind den Ursachen gesundheitlicher Beschwerden am Arbeitsplatz gewidmet. Das heißt, die Teilnehmer tragen gemeinsam ihre Erfahrungen mit Belastungsfaktoren wie Stress, Lärm, Zugluft usw. zusammen. Dabei darf kein Thema Tabu sein, also auch "heiße Eisen" gehören dazu, wie das Vorgesetztenverhalten, Mobbing oder ein schlechtes Betriebsklima.
Im weiteren Verlauf stehen technische, ergonomische, organisatorische und personenbezogene Lösungsvorschläge der ein- bis anderthalbstündigen Diskussionen im Vordergrund. Mit ihren Veränderungsideen sollen die Beschäftigten mithelfen, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und ihre Arbeitsfähigkeit langfristig sicherzustellen.
Beispielhafte Fragen
Im Einzelnen können exemplarisch folgende Fragen bearbeitet werden:
- Herausarbeiten von Situationen und Arbeitsprozessen, die gesundheitliches Gefährdungspotenzial beinhalten
- Herausarbeiten der dadurch entstehenden Anforderungen
- Erkennen der daraus folgenden Wirkungsmechanismen
- Erkennen, wie aus Anforderungen Belastungen werden können
- Herausarbeiten möglicher konkreter Auswirkungen der Belastungen
- Erkennen von Möglichkeiten, die zu einer Reduktion der Belastungen führen können
- Erarbeiten von strukturellen Veränderungsmöglichkeiten
- Erarbeiten von persönlichen Veränderungsmöglichkeiten
- Herausarbeiten, was verändert werden kann und darf
- Festhalten, wer an den Veränderungen beteiligt sein muss
- Dringlichkeiten festlegen
- Aufgabenzuteilung, wer für welche Schritte verantwortlich ist
Vorbereitung
Wenn im Vorfeld durch einen Gesundheitsbericht oder durch eine Mitarbeiterbefragung gesundheitliche Problembereiche im Unternehmen identifiziert wurden, existiert bereits eine gute Grundlage, um zu entscheiden, in welchen Arbeitsbereichen Gesundheitszirkel besonders wichtig sind
Weitere Hinweise ergeben sich beispielsweise durch den Krankenstand, hohe Fluktuationsraten, Leistungsverlust oder hohe Fehlerraten. Generell kann der Gesundheitszirkel in allen Abteilungen mit vielfältigen und diffizilen Belastungsfaktoren angewandt werden.
Neben Arbeitsbereichen können die Zirkel beispielsweise auch auf Mitarbeitergruppen ausgerichtet werden. Im Zuge der demografischen Entwicklung und der Anhebung des Renteneintrittalters kann es sinnvoll sein die Zirkel speziell auf ältere Mitarbeiter auszurichten, um deren spezifische Belastungssituation zu erfassen und geeignete Maßnahmen zu entwickeln, die ein langes und gesundes Verbleiben im Unternehmen fördern.
Auch ein Gesundheitszirkel für das mittlere Management ist sinnvoll. Die Belastungen für die Führungskräfte in "Sandwichpositionen" sind groß und können eine gesonderte Bearbeitung notwendig machen.
Zirkelmodelle und -zusammensetzungen
1. Gemischte Zirkel
In dem von den Krankenkassen in der Vergangenheit praktizierten Konzept gehören dem Gesundheitszirkel neben fünf bis sieben Mitarbeitern auch der unmittelbare Vorgesetzte, die Sicherheitsfachkraft, der Betriebsarzt und ein Vertreter des Betriebsrates bzw. Personalrates an. Der Betriebs- bzw. Abteilungsleiter wird häufig zu Beginn und zum Abschluss der Zirkelsitzungen eingeladen, wenn es um die Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen geht.
Bei Bedarf können weitere betriebliche Experten wie der Schwerbehindertenvertreter oder die Frauenbeauftragte hinzugezogen werden. Diese Zusammensetzung soll in erster Linie das Expertenwissen aller Seiten bündeln und die Umsetzung der erarbeiteten Vorschläge durch die Beteiligung der Entscheider erleichtern. Zudem können durch die Zusammenarbeit im Gesundheitszirkel und die dadurch gemachten Erfahrungen die Kommunikation aller Beteiligten im Betriebsalltag verbessert werden.
Der Vorteil dieses Zirkelmodells liegt bei der engen Rückkoppelung zwischen den Beteiligten, was die Erarbeitung von Maßnahmen erleichtert, die durch die Geschäftsführung getragen werden. Kritiker der gemischten Zirkel verweisen auf die Gefahr einer Expertendominanz und, dass sich Beschäftigte mit sensiblen Themen schwer tun, wenn Vorgesetzte dabei sind.
2. Homogene Zirkel
Ein anderes Zirkelmodell sieht vor, die Mitarbeiter mit dem Moderator allein zu lassen, da dies eher eine offene und vertraute Gesprächsatmosphäre ermöglicht, wenn über sensible Themen gesprochen wird. Dadurch können sich besonders wertvolle Hinweise und Ergebnisse erarbeiten lassen.
Die Herausforderung für diese Form liegt darin, dass lange Listen mit "heißen" und dringlichen Themen entstehen können, welche im Anschluss des Zirkels nur geringe Chancen auf eine Umsetzung haben. Aufwand, Kosten und die Bereitschaft der Geschäftsführung sollten daher zumindest im Hintergrund berücksichtigt werden.
3. Mischmodelle
In der Praxis haben sich inzwischen auch Mischmodelle durchgesetzt. Häufig arbeiten die Beschäftigten mit dem Moderator zu Beginn der Zirkel allein. Diese Phase ist beendet, wenn die gesundheitsrelevanten Arbeitsbedingungen aufgelistet worden sind. Im Anschluss werden Führungskräfte und Entscheider integriert.
Praxistipps
- Regeln für die Zusammenarbeit: Vor dem Zirkelbeginn sollten Verfahrensregeln vereinbart werden. Hierzu gehört zum Beispiel, dass die Treffen kontinuierlich stattfinden, sich die gewählten Beschäftigten zur regelmäßigen Teilnahme verpflichten und :persönliche Äußerungen im Raum bleiben.
- Jeder ist Experte, und zwar auf seinem Gebiet. Jeder hat die Möglichkeit, auszureden und seine Meinung frei zu äußern. Meinungen sollen nicht der Person angelastet werden. Was in der Gruppe gesagt wird soll in der Gruppe bleiben.
- Auch eine Fokussierung auf die gesundheitsrelevanten Themen ist wichtig. Ausufernde Nebendiskussionen müssen durch den Moderator zurückgedrängt werden. Abweichende Meinungen zu einzelnen Themen sollten begründet werden.
- Ergebnisse der Zirkelarbeit: In der abschließenden Sitzung des Gesundheitszirkels werden die Verbesserungsvorschläge systematisiert. Da oftmals nicht alle Vorschläge verwirklicht werden können, empfiehlt es sich, dass sich die Gruppe auf die zentralen und wesentlichen Vorschläge einigt.
- Es ist sinnvoll, einen Umsetzungsplan aufzustellen, der bei der abschließenden Präsentation einem Entscheidungsgremium (z. B. Geschäftsführung oder Arbeitskreis Gesundheit) vorgestellt wird. Die Ergebnisse der Arbeit und die beschlossenen Maßnahmen :sollten allen Mitarbeitern präsentiert werden.
- Umsetzung der Verbesserungsvorschläge: Zur Umsetzung kann beispielsweise ein Arbeitskreis Gesundheit oder eine Steuerungsgruppe initiiert werden. Diese entscheidet in der Regel über die Umsetzung der erarbeiteten Lösungen, setzt die Prioritäten, steuert die einzelnen Maßnahmen und bewertet die erzielten Ergebnisse.
- Erfolgskriterium: Der Erfolg der Zirkelarbeit hängt entscheidend von der Bereitschaft des Unternehmens ab, die Änderungsvorschläge in die Tat umzusetzen. Ist die Diskrepanz zwischen den Vorschlägen der Beschäftigten und den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zu groß, können sich Enttäuschung und nachträglicher Rückzug der Beteiligten einstellen. Hierfür empfiehlt es sich bereits im Vorfeld erste Überlegungen über mögliche Veränderungen anzustellen (Budget, Ressourcen), auf welche der Zirkel aufsetzen kann.
- Zudem sollten Maßnahmen mit geringem Aufwand nicht zu lange auf sich warten lassen. Hier ist es wichtig die besprochenen Konzepte auch zeitnah umzusetzen. Die Mitarbeiter erkennen dadurch ein Interesse der Geschäftsführung gegenüber ihrer Gesundheit und das Unternehmen profitiert dadurch mit geringeren Krankenquoten und einer langen Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter.
- Abgelehnte Vorschläge sollten auf jeden Fall begründet und an alle Mitarbeiter kommuniziert werden. Nach allen bisherigen Erfahrungen kommen von den Beschäftigten in der Regel meist auch sehr praxisnahe Lösungsideen, die teilweise ohne großen finanziellen Aufwand verwirklicht werden können.
- Kleinbetriebe: Auch kleinere Betriebe können Gesundheitszirkel einrichten. Dazu eignen sich überbetriebliche Zusammenschlüsse und Kooperationen (beispielsweise mit Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften auf Innungsebene).
Autor
Ulla Wittig-Goetz
U.Wittig-Goetz(at)t-online.de