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Version vom 31. August 2015, 08:31 Uhr
Mentoring ist vielfältig einsetzbar und unterstützt die Personalentwicklung strategisch und praktisch beim gezielten Aufbau von Fach- und Führungskräften sowie bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter im Unternehmen. Seminare und formalisierte Qualifizierungsprozesse können nur einen Teil dessen abdecken, was Mitarbeiter für effektive und produktive Arbeit benötigen.
In einem Mentorenprogramm lassen sich Lernprozesse gestalten, die neben Fachwissen auch wichtige Erfahrungen vermitteln und damit den Kompetenztransfer im Unternehmen unterstützen. Die geringen Kosten machen dieses Instrument auch für kleine und mittlere Unternehmen interessant.
Weil ?klassische? Seminare nur ein Teil des Wissens, das Mitarbeiter derzeit und zukünftig benötigen, vermitteln können, und weil der Inhalt eines Seminares meist. nicht ausreichend auf den Bereich fokusiert, in dem sich ein Mitarbeiter weiterentwickeln möchte, spielen Methoden wie Mentoring eine immer wichtigere Rolle in der Personalentwicklung. Indem sie Mitarbeiter zusammenbringen und zum Austausch anregen, steht eher die persönliche Beziehung zwischen den Akteuren und die Vermittlung von Erfahrungswissen im Vordergrund.
Außerdem ist das, was die Beteiligten in einem Mentoring lernen, sehr individualisiert, nicht standardisiert. Darüberhinaus bietet Mentoring eine Möglichkeit, Kosten für Weiterbildung zu senken (auch wenn die Arbeitszeit der Mitwirkenden natürlich einzukalkulieren ist) und gleichzeitig eine nachhaltige transferorientierte, auf den Einzelnen abgestimmte Personalentwicklung zu betreiben.
Der Begriff des Mentors als einem ?Ratgeber? geht auf die griechische Mythologie zurück: Mentor hieß der Freund Odysseus, der für dessen Sohn Telemach während der Abwesenheit des Vaters als Erzieher fungierte. Mentoring ist an sich nichts Neues und wird seit vielen Jahren praktiziert - allerdings oft unbewusst oder unter einem anderen Etikett. Neu ist, dass man Mentoring in den letzten Jahren als eine nutzbringende Methode der Personalentwicklung (wieder-) entdeckt hat, entsprechend würdigt und in Entwicklungsprogramme einbindet.
Der Prozess
Mentoring wird grundsätzlich als ein Prozess verstanden, in dem eine Person, nämlich der Mentor, die Karriere und die persönliche Entwicklung einer anderen Person, des Mentee, außerhalb einer Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehung unterstützt. Dabei geht es gerade nicht um die Vermittlung von Seminar-, Lehrbuch- oder Fachwissen, sondern vor allem um:
- das Weitergeben von Erfahrungen,
- das Öffnen eigener Netzwerke,
- die Begleitung des Mentee und
- die kulturelle Sozialisation neuer Mitarbeiter beziehungsweise der Mitarbeiter, die sich in einem Karriereübergang befinden (etwa wenn ein Mitarbeiter zur Führungskraft wird und somit in einen anderen ?Kulturkreis? wechselt).
Themen
Themen, die in Mentoring-Beziehungen zur Sprache kommen, sind daher auch in aller Regel nicht nur fachspezifisch. Neben Fach- und Brancheninformationen können auch weitere Inhalte bearbeitet werden, die Vermittlung von Erfahrungswissen steht in der Regel im Vordergrund. Wertvolle Kontakte können geknüpft werden. Tipps und Kniffe zur Bewältigung von Problemen werden im Idealfall weitergegeben.
Der Mentee wird gezielt aufgebaut. Ein weiteres Thema kann beispielsweise sein, wie eine junge Führungskraft besser das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben herstellen bzw. erhalten kann. Wie bereits erwähnt geht es dann nicht darum, dass der Mentor die besten Ansätze aus Lehrbüchern vermittelt, sondern seine Erfahrungen (durchaus auch negative) mitteilt. Im besten Fall lernt ein Mentee aus diesen Erfahrungen und kann sein Verhalten entsprechend anpassen.
Auch wenn am Anfang einer Mentoringbeziehung den Beteiligten oft nicht klar ist, welche Themen sie besprechen könnten, hat die Erfahrung gezeigt, dass ? wenn das Eis erst einmal gebrochen ist ? es kein Problem ist, Themen zu finden, die im Mentoring besprochen werden. Die fachliche, kulturelle und persönliche Förderung des Mentees soll dabei im Vordergrund stehen.
Aus Sicht eines Unternehmens ergänzt ein Mentoring-Programm vor allem die bisherigen Ansätze der Personalentwicklung und passt sich in ein gegebenenfalls vorhandenes Qualifizierungsmodell ein. Für die Mentees könnten als Zielsetzung zum Beispiel die Förderung der eigenen Führungskompetenzen, die Unterstützung in der beruflichen Laufbahnplanung oder auch die bessere Bewältigung komplexer Arbeitssituationen im Vordergrund stehen. Die teilnehmenden Mentoren können ihre Führungs- und Coaching-/ Mentoring-Kompetenzen ausbauen und ? eine entsprechende Offenheit vorausgesetzt ? über den Austausch mit ihrem Mentee eine erweiterte Sicht auf sich selbst und/oder ihren Arbeitsalltag erlangen.
Vorgehen
Sofern gewünscht und nicht zu aufwendig, werden die Teilnehmer nach vorab festgelegten Kriterien bzw. einem Profil ausgewählt und anschliessend ?gematcht? d.h. zusammengestellt. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Programms wird eine sogenannte "Step-out-option" angeboten, d.h. die Möglichkeit, ohne weitere Begründung oder Konsequenzen aus der Mentoringbeziehung auszusteigen, wenn beispielsweise die ?Chemie? im Tandem nicht stimmt. Ein Mentoringprogramm kann neben den eigentlichen Treffen zwischen Mentor und Mentee von anderen Veranstaltungen bzw. Treffen flankiert werden. Die einzelnen Schritte können wie folgt beschrieben werden:
1. Auswahl des Mentors und des Mentees. Dazu sollte sich ein Unternehmen Fragen stellen wie: welche Mitarbeiter sollen gefördert werden? Welche Mitarbeiter/ Führungskräfte verfügen über die Fähigkeiten zum Mentor?
2. Es empfiehlt sich, die Teilnehmer vorher über das Mentorenprogramm zu informieren und gegebenenfalls zu schulen (ihnen zum Beispiel Lerntechniken zu vermitteln, die Funktionsweise des Programms beizubringen, die ?Spielregeln? zu erklären). Daneben geht es um die Etablierung einer offenen Fragekultur zwischen den Beteiligten.
3. In einer anschließenden Auftaktveranstaltung stehen üblicherweise neben Informationen zum Mentoringprogramm das gegenseitige Kennenlernen der Tandems sowie eine Vereinbarung zwischen Mentor und Mentee bezüglich der Ausgestaltung ihrer Mentoringbeziehung im Mittelpunkt. Da mitunter zunächst Vorbehalte gegenüber dieser Art von Weiterbildung bestehen, die mitunter auf Unwissenheit beruhen, dient diese Veranstaltung auch dazu, diese Vorbehalte offen anzusprechen und dadurch möglichst abzubauen.
4. Nach einigen Monaten kann eine Zwischenveranstaltung organisiert werden, die dazu dienen kann, alle Programmteilnehmer zusammenzubringen, ein Feedback über den bisherigen Verlauf des Programms zu erhalten sowie den Tandems die Möglichkeit zu geben, in ihrer Beziehung Kurskorrekturen vorzunehmen und ihre Zusammenarbeit zu reflektieren.
5. Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung sollte das Programm ausgewertet und offiziell beendet werden. Die dabei gewonnen Ergebnisse können in die Gestaltung nachfolgender Programme einfließen und so deren Qualität verbessern helfen.
Die übliche Länge für ein Mentoringprogramm sollte circa. ein Jahr betragen. Nicht selten kommt es vor, dass Tandems ihre Treffen auch nach dem offiziellen Ende fortführen. Die abschliessende Bewertung von Teilnehmern am Mentoring fiel in den meisten der Autorin bekannten Fällen ausgesprochen positiv aus, was beispielsweise daran erkennbar war, dass die mit der Teilnahme am Programm verbundenen Erwartungen voll erfüllt wurden.
Den Mentees gelang es, vor allem ihre Sozial- und Führungskompetenzen auszubauen und umfassende Fähigkeiten zur Bewältigung ihrer (neuen) Führungsaufgaben zu entwickeln. Die Mentoren hoben in ihren Bewertungen vielfach hervor, dass es ihnen gelungen sei, Erfahrungen weiterzugeben und sie gleichzeitig ihre eigenen Fähigkeiten in Beratung und Feedback-geben hätten vertiefen können.
Erfahrungshinweise
Mögliche Hemmnisse und ?Stolpersteine? können sich durch ?politische? Prozesse innerhalb des Unternehmens oder im Tandem ergeben. Die Teilnehmer sollten dem Mentoring gegenüber offen und positiv eingestellt sein. Es ist darauf zu achten, dass potentielle Hierarchiekonflikte im Vorfeld berücksichtigt werden.
Beispielsweise darf der Mentor seine eigene Position im Unternehmen nicht durch den Mentee gefährdet sehen ("Warum soll ich dem Aufsteiger dabei helfen meinen Job zu übernehmen"). Auch die mögliche Situation, dass der Mentee im Laufe der Zeit hierarchisch über den Mentor gestellt werden kann, beinhaltet Konfliktpotential. Daher empfiehlt es sich, bereits bei Auswahl der Teilnehmer und der Zusammenstellung der Tandems (Matching) auf denkbare Konflikte zu achten.
Fördernd für einen guten Kompetenztransfer ist eine offene Fragekultur. Der Mentee sollte keine Ängste haben, viele Fragen zu stellen. Der Mentor kann dem Mentee durch Offenheit und persönlicher Zuwendung diesbezüglich positive Signale senden.
Auch der Umfang der Informationen des Mentors sollte angemessen portioniert sein. Es hat sich gezeigt, dass zu große Informationspakete vom Mentee nicht verarbeitet werden können. Ausreichende Zeit für die Treffen wirken sich ebenfalls positiv auf die Austauschbeziehung aus. Zu wenig Zeit erzeugt Stress und erschwert zudem den Aufbau einer Vertrauensbeziehung.
Umgekehrtes Mentoring
Neben der Wissensvermittlung durch den Mentor wird heutzutage auch zunehmend die Wissensweitergabe durch den Mentee an den Mentor hervorgehoben. Technologische und computerbasierte Wissensgebiete liegen den jüngeren Mitarbeitern oft besser. Der Mentor wird dadurch mit neuen Entwicklungen und Trends vertraut gemacht. Auch Werte (beispielsweise Offenheit gegenüber Neuem und Veränderungen) können so transportiert werden und zur Verbesserung der Unternehmenskultur beitragen.
Für den Mentor, der gleichzeitig oft auch eine Führungskraft im Unternehmen ist, sind die geführten Gespräche zudem als Monitoringinstrument nutzbar. Er erhält wichtige Informationen über die Stimmung im Unternehmen, was bei zunehmender Unternehmensgröße von entscheidender Bedeutung ist. So profitieren beide ? der Mentor und der Mentee ? aus der Beziehung.
Mentoring in kleinen Unternehmen
Betrachtet man die eingangs erwähnten Herausforderungen und die damit verbundenen Veränderungen für die jeweiligen Mitarbeiter speziell unter dem Blickwinkel kleiner Unternehmen, dann wird deutlich, dass der Ansatz des Mentoring auch in diesem Umfeld Unterstützung bieten kann. Die Teilnehmer werden beispielsweise durch ein unternehmensübergreifend organisiertes Mentoring angehalten, über den ?Tellerrand? des eigenen Unternehmens zu schauen und sich über Unternehmensgrenzen hinweg auszutauschen.
Dadurch stärken sie ihre "Networking-" und "Community-" Kompetenz und erhalten wertvolle Einblicke, die sie für ihren beruflichen Alltag verwenden können. Außerdem erhalten die Teilnehmer bei (finanziell) überschaubarem Aufwand Einblicke in Abläufe, Aufgaben und Herausforderungen anderer Unternehmen und können voneinander und miteinander aus Erfahrungen lernen.
Die Durchführung eines unternehmensübergreifenden Mentoringprogramms hat für die teilnehmenden Unternehmen den Vorteil, dass die Last der Organisation auf verschiedene Schultern verteilt werden kann. Trotzdem ist dabei ein Erfolgskriterium, dass es eine zentrale Koordinationsstelle gibt, die die Fäden in den Händen hält.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Konzeption, Durchführung, Begleitung und Bewertung eines Mentoringprogramms mit einem ? wenn auch überschaubaren ? personellen Aufwand verbunden ist, den ein kleines Unternehmen allein vermutlich nicht schultern will oder kann. Daher macht es gerade auf der Ebene kleiner Unternehmen Sinn, gemeinsame Mentoringprogramme ins Leben zu rufen, die gegebenenfalls. von einer externen Stelle koordiniert werden.
Gerade vor dem Hintergrund der zunehmend geforderten Flexibilität von Unternehmen, die sich beispielsweise in unternehmensübergreifenden Kooperationen niederschlägt, ist das, was Teilnehmer aus solchen Programmen mitnehmen können, zwar nur schwierig in Zahlen zu messen, so doch auf einer anderen Ebene ?Gold wert? und nur in seltenen Fällen durch traditionelle Seminare zu vermitteln.
Autorin
Bettina Schleidt