Was macht ein Personalmarketing zu einem strategischen Personalmarketing? Zunächst kann der Ausgangspunkt aus unserer Sicht nur im heutigen und künftigen Geschäft eines Unternehmens bestehen. Ein Personalmarketing ist nur dann strategisch, wenn sein Erfolg daran gemessen werden kann, ob ein Unternehmen seine Ziele erreicht. Dieser Zusammenhang muss systematisch hergestellt werden. Das `Prinzip Hoffnung` reicht nicht.
Auf Grundlage der geschäftlichen Ziele kann ermittelt werden, welche Bewerber- und Beschäftigtengruppen (Haupt)Zielgruppe des Personalmarketings sein müssen und welche Maßnahmen sinnvollerweise angestoßen werden können, um sich als Unternehmen für diese Zielgruppen attraktiv aufzustellen - und damit die Umsetzung der Unternehmensziele sicherzustellen. In allen Bereichen für alle gleichermaßen attraktiv zu sein ist illusorisch und fern jeder Praktikabilität.
Ein Ausschnitt aus einem Erprobungsworkshop in einem mittelständischen Unternehmen illustriert, für welche Gruppe das strategische Personalmarketing höchste Priorität hat.
Im Gegensatz zur Engpassgruppe sind die Vertriebsaußendienstmitarbeiter von herausragender Bedeutung für die Realisierung der Geschäftsziele. Beide Gruppen sind zwar schwer über den Arbeitsmarkt zu beziehen, jedoch haben fehlende Vertriebsmitarbeiter eine vollkommen andere Durchschlagskraft auf die Betriebsergebnisse und die Zielerreichung des Unternehmens. Genau hier setzt das strategische Personalmarketing an. Gelingt es die richtigen Maßnahmen zu identifizieren und anzustoßen, wollen morgen idealerweise mehr Leute der definierten Zielgruppe(n) in das Unternehmen und dort bleiben, als es verlassen (wollen). Auf dieser Grundlage lassen sich die Arbeitgeberattraktivität und das Personalmarketing nicht nur besser sondern vor allem zielgruppenspezifisch gestalten. Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise Werker andere Erwartungen an einen attraktiven Arbeitgeber haben als Entwickler, Vertriebsmitarbeiter, Auszubildende oder andere Zielgruppen. Strategisches Personalmarketing setzt daher an deren spezifischen Erwartungen an und versucht erst gar nicht, das Unternehmen gleichermaßen attraktiv für alle aufzustellen. Wichtig ist, dass dies nicht im geringsten Widerspruch dazu steht, sich abseits dieser Priorisierung als guter Arbeitgeber für die gesamte Belegschaft zu positionieren oder Arbeitgebermarkenpflege zu betreiben - auch dies wird sich im Klima und bei der Personalbeschaffung bezahlt machen. Aus Sicht der Geschäftsführung ist es jedoch wesentlich, sich darüber im Klaren zu sein, wo der größte Handlungsbedarf besteht.
Das RKW hat eine Methode entwickelt, wie ein mittelständisches Unternehmen nicht nur zügig die Zielgruppen des Personalmarketings identifizieren, sondern auch ermitteln kann, was einen Arbeitgeber für diese Gruppe attraktiv macht. Die Methode kann unmittelbar an die RKW-Methode Strategische Personalplanung anschließen und ist praxiserprobt. Da sie durchgängig mit Stellenclustern - den sogenannten Jobfamilien - arbeitet, funktioniert der Ansatz nach unserer Erfahrung besonders gut in Unternehmen ab ca. 60 Beschäftigten. Hat man das Grundprinzip verstanden, kann das Tool Attraktivitätscockpit auch in kleineren Unternehmen sinnvoll eingesetzt werden (s. Abb. unten). Mit diesem Tool kann jeder Betrieb - am besten mit Vertretern der Zielgruppe - erarbeiten, worauf es den (potenziellen) Mitarbeitern ankommt und woran sich das Personalmarketing konkret ausrichten soll.
Die Vorgestellte Methode beschreibt ein Workshop-Design. Eine gute Vorbereitung vorausgesetzt werden dafür ein kompletter oder (besser noch) zwei halbe Tage benötigt.
Die sieben Schritte eines strategischen Personalmarketings
1. Schritt: Jobfamilien bilden und priorisieren - Sie fassen Jobs mit ähnlichen Anforderungsprofilen zu sogenannten Jobfamilien zusammen. Anschließend werden diese nach ihrer Bedeutung für die Wettbewerbsposition Ihres Unternehmens priorisiert. In einem Unternehmen, das einen nicht gesättigten Markt erschließt, könnte eine prioritäre Jobfamilie zum Beispiel der "Vertriebsinnendienst" sein.
2. Schritt: Strategische Betroffenheit der prioritären Jobfamilien ermitteln - Sie bestimmen die Auswirkungen der strategischen Personalbedarfstreiber auf Ihre prioritären Jobfamilien. Dieser Schritt verbindet die Unternehmensstrategie mit dem Personalmarketing. Sie stellen beispielsweise fest: Das absehbare und innovationsgetriebene Umsatzwachstum von fünf Prozent wird sich weniger auf die Jobfamilie der Einkäufer auswirken, aber stark auf den Bedarf nach Konstrukteuren.
3. Schritt: Erstellen der Risikoprofile der prioritären Jobfamilien - Anschließend prüfen Sie die Betroffenheit der prioritären Jobfamilien von drei zentralen personalwirtschaftlichen Risiken: das Alters- und Kapazitätsrisiko (interne Risiken) sowie das Beschaffungsrisiko (externes Risiko). Vorbereitend kann bei größeren Mittelständlern eine Personalbestandanalyse sinnvoll sein. Sie stellen zum Beispiel fest: Drei der fünf Konstrukteure werden das Unternehmen bald altersbedingt verlassen (Altersrisiko), außerdem ist von einem zusätzlichen Bedarf auszugehen (Kapazitätsrisiko). Erfahrungsgemäß ist deren Rekrutierung auf dem Arbeitsmarkt mit hohem Aufwand und Unsicherheit verbunden (Beschaffungsrisiko).
4. Schritt: Zielgruppen für das Personalmarketing auswählen - Die Gegenüberstellung von internem und externem Risiko zeigt Ihnen, bei welchen Jobfamilien Ihr Personalmarketing vorrangig ansetzen sollte. Außerdem erfolgt an dieser Stelle der Übergang von den Stellen zum Menschen: Welche Zielgruppen kommen für die Besetzung der einschlägigen Jobfamilien in Frage? Sie stellen beispielsweise fest, dass zwei der sechs prioritären Jobfamilien leicht zu beschaffen sind, zwei weitere Jobfamilien verlieren strategiebedingt an Gewicht, so dass am Ende zwei Jobfamilien übrig bleiben. Neben den Konstrukteuren betrifft dies die Vertriebsinnendienstmitarbeiter. Nachdem sich bereits mehrere Außendienstmitarbeiter für einen Wechsel ins Backoffice ausgesprochen haben, fassen Sie als eine (von mehreren) Zielgruppen den Vertriebsaußendienst in Betracht. Sie arbeiten die folgenden Schritte nun für alle ausgewählten Zielgruppen aus.
5. Schritt: Zentrale Attraktivitätskriterien bestimmen, gewichten und bewerten - Gemeinsam mit Vertretern des Betriebsrates und/oder Mitarbeitern prioritärer Jobfamilien legen Sie sich auf maximal zehn Kriterien fest, die der jeweiligen Zielgruppe besonders wichtig sind. Die Kriterien werden anschließend priorisiert und im Wettbewerbsvergleich bewertet. Das Attraktivitätscockpit fasst Kundensicht und Wettbewerbsvergleich in einer kompakten Darstellung zusammen. Sie können ablesen, wo Sie echte Stärken haben, wo Sie Schwächen reduzieren sollten und wo Einsparmöglichkeiten liegen. In den Bereichen klare Aufgabenstellungen und Führung stellen Sie etwa erheblichen Nachholbedarf fest, während im Angebot von Freizeit- und Kinderbetreuungsangeboten erhebliche Kostenpotenziale liegen. Flexible Arbeitszeiten bleiben als einzigartiger Wettbewerbsvorteil erhalten und werden in allen Kommunikationsmaßnahmen prominent genannt.
6. Schritt: Aktionsplan entwickeln - Sie können nun genau bestimmen, welche personalwirtschaftlichen Maßnahmen strategisch notwendig sind, um sich attraktiv für wichtige Zielgruppen zu positionieren. Sie schichten beispielsweise Mittel um: Freizeit- und Kinderbetreuungsangebote werden reduziert, die Personalreferentin kümmert sich bis zum Zeitpunkt X um einen Rahmenvertrag mit zwei Coaches, um die Führungsqualität, genauer: die Resonanz- und Dialogfähigkeit, der Bereichsleiter zu verbessern. Gemessen wird der Erfolg der Maßnahme an der nach einem Jahr um zwei Prozentpunkte reduzierten Fluktuation in den prioritären Zielgruppen sowie den Ergebnissen einer anstehenden Mitarbeiterbefragung.
7. Schritt: Auswahl geeigneter Medien für die Personalbeschaffung - Sie legen fest, wie Sie die Zielgruppen künftig ansprechen wollen. Gezielte Kommunikation statt Gießkanne, lautet das Motto. Sie legen beispielsweise fest, dass Konstrukteure angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage nur mittels Headhunter sinnvoll angesprochen werden können. Um den wachsenden Bedarf auch mittel- und langfristig zu bedienen, verstärken Sie außerdem die Zahl der Ausbildungsplätze für Technische Systemplaner, die später entsprechend weitergebildet werden. Um geeignete Auszubildende zu finden, kooperieren Sie mit mehreren weiterführenden Schulen und nutzen Social Media.
Eine ausführliche Darstellung der Methode findet sich hier: [http://www.rkw-kompetenzzentrum.de/fachkraeftesicherung/2015/leitfaeden/strategisches-personalmarketing-fuer-mittelstaendische-unternehmen/ausblick/ Leitfaden Strategisches Personalmarketing für mittelständische Unternehmen
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Autoren
Patrick Großheim
grossheim(at)rkw.de
Sascha Hertling
hertling(at)rkw.de