Der Begriff ?loyal? kommt eigentlich vom französischen Wort ?legal? im Sinne von ?gesetzestreu?. Treue ist sicherlich auch heute noch ein wichtiger Aspekt von Loyalität. Weitere Schlagwörter, die wir mit Loyalität assoziieren sind z.B. Anstand, Aufrichtigkeit, Fairness, Geradlinigkeit, Integrität, Solidarität, Zuverlässigkeit. Kurzum bezieht sich Loyalität auf eine innere Verbundenheit eines Menschen mit anderen Menschen oder mit einer Institution, welche idealerweise auf Gegenseitigkeit basiert. Kurz: Auf einen loyalen Menschen kann man sich verlassen und ihm vertrauen, weil auch er sich auf sein Gegenüber verlassen und ihm vertrauen kann.
Loyalität stellt sich in der Regel ein, wenn wir die gleichen Werte und Ansichten teilen und gemeinsam dafür einstehen. Das schweißt zusammen ? loyale Menschen gehen miteinander durch dick und dünn, unterstützen einander, auch wenn sich ihre Ziele nicht einhundertprozentig decken. Das gilt im privaten Bereich genauso wie im Unternehmenskontext ? und hier sowohl zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten den Mitarbeitenden untereinander sowie zwischen Mitarbeitenden und Kunden.
Wer wirklich loyal zu einem steht, zeigt sich leider oft erst im Ernstfall. Hier offenbart sich der wahre Charakter einer Person. Dies kann der Fall sein, wenn jemand ernsthaft und längerfristig erkrankt oder einen privaten Schicksalsschlag erleiden muss. Von Arbeitgeberseite ist dann Verständnis angebracht, dass die oder der Beschäftigte erst einmal Zeit zum Verarbeiten des Geschehenen braucht und es deshalb vorerst vermutlich zu weniger Leistungsfähigkeit kommt. Wird diese Loyalität entgegengebracht, werden Angestellte das nicht vergessen und sich in der Regel beim Vorgesetzten bzw. beim Unternehmen revanchieren, z.B. indem sie Überstunden leisten oder einen geplanten Urlaub hintanstellen, wenn es erforderlich ist.
Wird Loyalität jedoch erwartet und nicht erfüllt, erleben wir das als besonders dramatisch. Ob es sich um unterlassene Hilfeleistung unter Kollegen oder um die Flucht eines wichtigen Teammitglieds in eine neue Stelle handelt, verlässt uns auch noch die Person, auf die wir uns (fälschlicherweise) verlassen haben, ist die Enttäuschung groß und es braucht oft einen langen Zeitraum, um das Geschehene in ein angemessenes Licht zu rücken. Produktivitätseinbußen aufgrund solcher kultureller und sozialer Schäden kosten Organisationen jedes Jahr ein Vermögen.
Nun könnte man meinen, mit der Forderung eines loyalen Verhaltens wäre ein Unternehmen vor solchen Situationen geschützt, doch Vorsicht: Loyalität lässt sich nicht erzwingen, sondern ist eine freiwillige Haltung, die sich meistens erst nach mehreren positiven Erfahrungen einstellt. Die Aufforderung zur Loyalität wirkt hingegen kontraproduktiv: So wird Loyalität als Druck, Zwang oder hohle Phrase empfunden ? und die Menschen reagieren zunehmend illoyal.
Woran sind loyale Mitarbeitende zu erkennen? Hier ist es wichtig, genau hinzuschauen. Zwar kann eine lange Betriebszugehörigkeit ein Indiz dafür sein, dass des dem Beschäftigten dort gefällt und er loyal zur Firma und zu den Leuten steht. Doch das muss es nicht zwangsläufig: Nicht selten richten sich langjährige Angestellte in ihrer Komfortzone ein und machen Dienst nach Vorschrift. Eindeutige Indikatoren für loyale Mitarbeitende ist das engagierte Verfolgen der Unternehmensziele. Sie bringen sich aktiv ein, blicken über den Tellerrand hinaus und trauen sich, auch unkonventionelle Ideen auszusprechen. Sie reden nach außen hin nie schlecht über ihren Arbeitgeber und verkörpern ein positives Bild der Firma. Sie erledigen ihre Aufgaben motiviert und gewissenhaft und sind bereit, mehr als das Nötigste zu tun.
Wie bringen Vorgesetzte ihre Angestellten wieder zur loyalen Zusammenarbeit?
Schwindende Mitarbeiterloyalität kann viele Ursachen haben, so dass pauschale Anschuldigungen wie die zunehmende Gier nach Geld oder die undisziplinierte, nicht belastbare junge Generation bei näherem Hinsehen oft haltlos sind. Strukturell kann sicherlich geprüft werden, ob die Beschäftigten wegen mangelnder Perspektiven im eigenen Betrieb, wegen fehlender Wertschätzung durch Vorgesetzte oder wegen unnötig befristeten Arbeitsverträgen ihr Engagement zurückschrauben. Grundsätzlich lautet die gute Nachricht: Loyalität lässt sich zurück gewinnen und sogar steigern. Wie so ein Prozessaussehen kann, schauen wir uns anhand von drei Beispielen an.
Szenario 1: Das Team besteht aus zehn Menschen, darunter verschiedene Nationalitäten und Mentalitäten. Spitzzüngige, als Humor vorgetäuschte Anfeindungen liegen an der Tagesordnung. Die Führungskraft ist ratlos, wie sie diesen Haufen wieder ?auf Spur bringen? soll.
In einer gesunden Unternehmenskultur wird Vielfalt als Bereicherung gesehen. Wenn Unterschiede allerdings dazu führen, dass Minderheiten als auffällig, unerwünscht oder ?nicht richtig? wahrgenommen werden, lässt dies an der Aussagekraft der übergeordneten Vision zweifeln. Hier ist es von Führungsseite aus angebracht, den höheren Sinn, die gemeinsame Mission mit allen Teammitgliedern zusammen zu entwickeln bzw. zu stärken. Wo ein Zugehörigkeitsgefühl besteht, braucht niemand zu befürchten, verdrängt zu werden. Wichtig ist, dass sich bei der gemeinsamen Ausgestaltung der gemeinsamen Mission die Zeit dafür genommen wird, welches Teammitglied für welchen Aufgabenbereich bzw. welche Zielverfolgung vorzusehen ist. Jeder soll das Gefühl haben, seinen rechtmäßigen Platz einzunehmen und etwas Wesentliches zum großen Ganzen beizutragen.
Szenario 2: Eine Führungskraft hat es mit einem 15-köpfigen Team zu tun. Während er den geschäftlichen Rahmen aufrechterhält und viel unterwegs ist, verbringt das Team sie meiste Zeit unter sich. Wenn der Chef ins Haus kommt, wird keusch gelächelt, doch irgendetwas sagt ihm, dass der friedliche Schein trügt.
Wenn Vorgesetzte zu wenig präsent und für das Team wahrnehmbar sind, bilden sich typischerweise Subkulturen. Damit ist gemeint, dass sich in Abwesenheit der Führungsperson aus dem Team heraus eine oder mehrere Personen hervortun, die die Zügel in die Hand nehmen. Meistens wird dieses Verhalten von einem Teil akzeptiert, während die anderen gegen die Selbstermächtigung aufbegehren. Aus dem Widerstand heraus entstehen zwei konfliktäre Lager. Da sich niemand des Verrats schuldig machen möchte, wird gegenüber der Führungskraft der Schein eines funktionierenden Teams gewahrt. Um diesen Verdacht aufzudecken, muss sich die Führungskraft im Team Meeting vorwagen und eine solche These in den Raum stellen. Wichtig ist, das Offensichtliche offen auszusprechen. ?Ich nehme Spannungen wahr und frage mich, wie das Tagesgeschäft unter diesen Voraussetzungen funktionieren kann.? Und sie muss die Geduld für eine lange Pause aufweisen, denn die braucht es, bis sich diejenigen Menschen mit einem schlechten Gewissen hervortun und sich äußern. Die missliche Lage kann erst behoben werden, wenn zumindest die Hälfte des Teams sich eine Verbesserung der Situation wünscht. Dann geht es darum, kommunikative Sackgassen aufzudecken, Befugnisse zu überprüfen und ggf. die Zuteilung der Aufgabenbereiche neu zu definieren. Grundsätzlich trägt regelmäßig gelebte Wertschätzung sowie eine transparente Kommunikation zur Loyalitätssteigerung bei.
Szenario 3: Einem Unternehmen gehen immer wieder Nachwuchsführungskräfte verloren, die sich nach rund zweijähriger Einarbeitungs- und Professionalisierungsphase einen neuen Arbeitgeber suchen. Der Personalvorstand ist ratlos und bekniet das langjährige Top-Management, die jungen Leute festzuhalten.
Wenn ambitionierte, junge Fachkräfte die Organisation verlassen, sobald sie ihr Aufgabenprofil komplett ausfüllen und erste Ergebnisse vorweisen können, liegt der Verdacht nahe, dass es ihnen intern an beruflichen Entwicklungschancen fehlt. Hier wäre als erstes zu prüfen, wie engmaschig die Feedback-Gespräche mit den direkten Vorgesetzten durchgeführt werden und zu welchen Erkenntnissen die Befragungen führen. Oft stellt sich leider heraus, dass Mitarbeitergespräche sehr stiefmütterlich gehandelt werden. Dadurch bleiben wertvolle Informationen wie zum Beispiel der Wunsch nach einer, ggf. finanzierten, Weiterbildung verborgen. Mancherorts ist auch zu prüfen, ob das Top-Management die interne Weiterentwicklung von Nachwuchskräften verhindert, indem sie sie durch fehlende Befugnisse ?deckeln?. Nur durch regelmäßigen und aufrichtigen Dialog können Potenziale langfristig gefördert und so auch die Mitarbeiterloyalität gesteigert werden.
Meine Erfahrung zeigt, dass ein gutes Betriebsklima für viele Mitarbeitende wichtiger ist als mit monetären Zuschüssen zu winken. Eine loyale Arbeitsatmosphäre hält Arbeitnehmende im Unternehmen ? sogar wenn sie woanders mehr Geld verdienen könnten. Darüber hinaus wirkt ein loyales Team in Krisenzeiten ausgleichend und erleichtert die Integration von Neulingen massiv. Echte Loyalität gleicht vorhandene Schwächen aus, ermutigt und steigert so die kollektive Stärke. Mit dem empfundenen Rückhalt wird sich getraut, Neues auszuprobieren und über sich hinauszuwachsen. In diesem Maße identifiziert mit den Menschen und Zielen des Unternehmens, sind wir zudem zufriedener, glücklicher und meist auch erfolgreicher.
Autorin
Miriam Engel ist Kommunikationswirtin, Führungstrainerin und Personalentwicklerin. Fokus ihrer Arbeit ist Team- und Kulturentwicklung sowie Mitarbeiterkommunikation.
engel(at)loyalworks.de