Die Innere Kündigung bezeichnet einen persönlichen Zustand, der durch innerliches Abrücken von der Arbeitsumgebung, durch Verweigerung von Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft in Unternehmen gekennzeichnet ist. Die Gründe, die zu einer Inneren Kündigung führen können, sind sehr vielschichtig. Vorgesetzte können jedoch durch ihr Führungsverhalten präventiv entgegensteuern und Instrumente einsetzen, die ihnen dabei helfen.
Innere Kündigung tritt am ehesten in Unternehmen auf, in denen Mitarbeiter wegen der hohen Anzahl der Betriebsangehörigen oder der Struktur vornehmlich formal und zu wenig persönlich integriert werden. Große mittelständische Unternehmen und vor allem Großunternehmen sind besonders durch Innere Kündigung gefährdet.
Allgemein stellt das Phänomen der Inneren Kündigung ein zeitlich relativ stabiles, in der Regel bewusstes Verhaltensmuster dar, gekennzeichnet durch eine distanzierte, ablehnende sowie pessimistische bis resignative Grundhaltung gegenüber der Arbeitssituation. Aufgrund der Inneren Kündigung steht der Mitarbeiter weniger loyal zu seinem Unternehmen. Zudem machen unmotivierte Mitarbeiter weniger Verbesserungsvorschläge und können tendenziell häufiger krank sein. Auch die Außendarstellung des Unternehmens und der Kundenkontakt durch innerlich gekündigte Mitarbeiter fallen entsprechend negativ aus.
Die Innere Kündigung ist als negative Steigerung des "Diensts nach Vorschrift" immer ein ernstzunehmendes Warnsignal. Die Produktivität eines Unternehmens kann enorm verringert werden, da sich die Mitarbeiter zurückziehen und entsprechend wenig an der Wertschöpfung beteiligen.
Verbreitung der Inneren Kündigung
Zur Verbreitung der Inneren Kündigung liegen wenige Daten vor. Generell schätzen Führungskräfte in den Personalbereichen von Dienstleistungsunternehmen das Problem der Inneren Kündigung mit einem Mittelwert von 26% durchschnittlich höher ein als ihre Kollegen in Industrieunternehmen mit einem Mittelwert von 21%.
Eine Untersuchung aus dem Jahre 2001, an der sich 486 Mitarbeiter aus über zehn deutschen genossenschaftlichen Kreditinstituten beteiligten, führte zu dem Ergebnis, dass gut ein Drittel (34,67%) des Personals als innerlich gekündigt gelten kann. Es wird auch vermutet, dass das Phänomen der Inneren Kündigung in Banken und Versicherungen häufiger anzutreffen ist als in Industrie- und Handelsunternehmen.
Auch das Meinungsforschungsinstitut Gallup veröffentlicht alarmierende Ergebnisse: 87 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland ? also 27,5 Millionen von insgesamt 31,7 Millionen ? spüren keine Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit. Arbeitgeber müssen darauf reagieren. Den gesamtwirtschaftlichen Schaden durch Innere Kündigung beziffert Gallup für Deutschland auf rund 250 Milliarden Euro im Jahr.
Ursachen und Erklärungen
Die Ursachen der Inneren Kündigung können vielfältig sein. Oft liegt vorher auch ein Bruch mit dem psychologischem Arbeitsvertrag vor. Bei diesem Vertrag geht es darum, in welchem Maße die Erwartungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Unternehmen und seine Bereitschaft, sich mit seinen Leistungen einzubringen, mit den Erwartungen des Unternehmens übereinstimmen. Liegt hier eine größere Diskrepanz vor, steigt die Wahrscheinlichkeit zur Inneren Kündigung bei dem einzelnen Mitarbeiter.
In Befragungen werden häufig folgende Gründe für eine Innere Kündigung genannt:
- Führungsfehler (wie z.B. Mangel an kooperativer Führung)
- Mangel an freundlicher Zuwendung
- Mangel an gegenseitigem Feedback
- Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Führungskraft
- Nichterfüllung von beruflichen Erwartungen oder Versprechungen (Entwicklungsmöglichkeiten, die bei der Neueinstellung in Aussicht gestellt wurden)
- Konflikte oder Mobbing im Unternehmen
- Bedrohung durch Reorganisationsprozesse (z.B. bei Verlierern eines Change-Prozesses)
- Eine als ungerecht empfundene Leistungsbeurteilung
- Unzufriedenheit mit der ausgeübten Tätigkeit
- Arbeitsplatzunsicherheit
Die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrer Arbeitssituation wirkt maßgeblich auf die Bereitschaft zur Inneren Kündigung ein. Abgesehen von objektiven betrieblichen Gründen, wie beispielsweise Arbeitsplatzunsicherheit oder Reorganisationsprozesse, sind viele der genannten Gründe durch die Führungskraft beeinflussbar. Daraus resultiert, dass das Führungsverhalten der Vorgesetzten einen entscheidenden Einfluss auf die Zufriedenheit und damit auch auf die Bereitschaft zur Inneren Kündigung der Mitarbeiter hat.
Prozessmodell der Inneren Kündigung
Mitarbeiter der Bergischen Universität Wuppertal entwickelten ein Instrument zur Messung der Inneren Kündigung. Dazu wird ein hypothetisches Prozessmodell der Inneren Kündigung aufgestellt. Dieses Modell enthält folgendes: Die Unzufriedenheit mit der Tätigkeit und ein Mangel an kooperativer Führung führen zu einem Gefühl von Unequity (Empfindung von Ungerechtigkeit/ Unfairness). Um Equity (Gerechtigkeit/ Ausgleich) zu erreichen, kündigt der Mitarbeiter innerlich.
Aufgrund der Inneren Kündigung steht der Mitarbeiter weniger loyal zu seinem Unternehmen. Die Bindung an den Arbeitsplatz (Involvement) und die Bindung an die Organisation (Commitment) sind verringert. Die Faktoren, die Innere Kündigung am besten vorhersagen, sind: Mangel an kooperativer Führung, Unzufriedenheit mit der Tätigkeit, Mängel an Equity und Loyalität.
Äußere versus Innere Kündigung
In Abgrenzung gegenüber der formalen äußeren Kündigung bezeichnet die Innere Kündigung einen persönlichen Zustand, der durch innerliches Abrücken von der Arbeitsumgebung, durch Verweigerung von Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft in Unternehmen gekennzeichnet ist.
Äußere Kündigung | Innere Kündigung | |
| ||
| ||
| ||
| ||
| ||
| ||
|
| |
| ||
| ||
| ||
| ||
|
| |
| ||
| ||
| ||
| ||
|
Abgrenzung äußerer Kündigung von Innerer Kündigung (aus: Faller, 1991, S. 90)
Praxistipps
Innere Kündigung ist ein Zustand der Demotivation, in den Mitarbeiter aller Ebenen geraten können. Die personalverantwortlichen Führungskräfte sollten in der Lage sein, den Entwicklungsbedingungen der Inneren Kündigung entgegenzuwirken, die individuelle Entstehung bei einzelnen Mitarbeitern rechtzeitig zu erkennen und die Innere Kündigung möglichst weitgehend aufzulösen. Diese Führungskräfte sollten die entsprechenden fachlichen Konzepte, die die Inneren Kündigung beschreiben, kennen und über entsprechende Handlungsinstrumente für die Praxis verfügen.
Der Inneren Kündigung begegnet man am besten präventiv. Die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter ist ein entscheidender Faktor und durch das Führungsverhalten der Vorgesetzten maßgeblich beeinflussbar. Wertschätzung und Annerkennung gegenüber dem Mitarbeiter und seiner Arbeitsleistung, Mitarbeitergespräche und vor allem der Aufbau von Beziehungen zu den Mitarbeitern sind wichtige Gestaltungselemente einer Führungskraft, um der Inneren Kündigung entgegen zu wirken.
Auch die Zufriedenheit mit der ausgeübten Tätigkeit beeinflusst die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Hier können Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen wie Job-Enrichment, Team- und Gruppenarbeit oder Job-Rotation eingesetzt werden.
Hinweise auf Innere Kündigung
Ein Mitarbeiter kann innerlich gekündigt haben, wenn er:
- kein Interesse mehr an Auseinandersetzungen hat
- zum typischen Ja-Sager geworden ist
- sich stets bei der Mehrheit befindet
- keine Vorschläge und keine Kritik mehr einbringt
- zum angepassten Konformisten geworden ist
- Entscheidungen von Vorgesetzten kommentarlos akzeptiert
- seine Kompetenzen nicht mehr völlig ausschöpft und
- Eingriffe in seinen Delegationsbereich widerspruchslos hinnimmt
Innere Kündigung entsteht durch eine ungünstige Wechselwirkung zwischen emotionalen Schwachstellen eines Mitarbeiters und demotivierenden Gegebenheiten im Unternehmen. Vorgesetzte benötigen im Allgemeinen fachliche Unterstützung durch interne oder externe Personalentwickler, da sie unter Umständen selbst an der Entstehung der Inneren Kündigung ungewollt mitgewirkt haben.
Maßnahmen
Maßnahmen nach eingetretener Innere Kündigung sind im Wesentlichen:
- Analyse der Lage aus der Sicht des von Innerer-Kündigung-Betroffenen.
- Herausarbeitung von Zielen und Wünschen des von Innerer-Kündigung-Betroffenen.
- Prüfung der persönlichen Ressourcen des Vorgesetzen, wie er diesen Zielen und Wünschen in sachgerechter Weise mittelfristig entsprechen kann.
- Prüfung der betrieblichen Ressourcen, wie diesen Zielen und Wünschen mittelfristig entsprochen werden kann.
- Prüfung der Modifikationsbereitschaft des von Innerer-Kündigung-Betroffenen, Klärung der Möglichkeiten, wie er selbst seine Schwachstellen verringern kann.
- Gemeinsame Verabschiedung des Gesprächsergebnisses.
- Falls es keine gemeinsame Perspektive gibt, steht eine Kündigung oder eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrags an. In großen Betrieben kann möglicherweise eine Umsetzung innerhalb des Unternehmens eine versuchsweise Lösung darstellen.
- Falls es eine einvernehmliche Lösung für den aktiven Abbau der Innere Kündigung gibt, ist dieser Prozess durch eine neutrale Supervision (oder Mediation) zu begleiten.
Autoren
Wilfried Echterhoff, Anja Krenz-Maes, Detlev Poweleit, Ulrich Schindler
echterhoff(at)uni-wuppertal.de