Über Führung und "Leadership" wird breit diskutiert. Welche Qualitäten muss eine Führungskraft haben? Welcher "Führungsstil" ist passend? Wie viel "Partizipation" darf sein? Zielvereinbarungssysteme, Mitarbeiterbefragungen und 360 Grad-Beurteilung von Vorgesetzten sollen der Führung "auf die Sprünge helfen", an Tools und Methoden herrscht keinerlei Mangel. Doch wozu braucht man überhaupt Vorgesetzte? Was ist der spezifische "Beitrag", den "Führung" im System leisten muss?
These 1: Führen ist eine Funktion im System - Es geht um überlebensrelevante Impulse
Auf den ersten Blick sollte man meinen, Führung sei dazu da, strategische Ziele zu kommunizieren und sicherzustellen, dass sie gemeinsam verfolgt werden. Es wäre schön, wenn dies funktionieren würde - doch nicht einmal wenn die Strategie klar ist, wird sie ordentlich in die verschiedenen Bereiche hinein "übersetzt". Gravierender noch ist, dass angesichts einer sich schnell wandelnden Umwelt, in der Dynamik und Komplexität immer mehr zunehmen, es immer schwieriger wird, überhaupt zu einer sinnvollen Strategie, zu den "richtigen" Zielen zu finden?
Wenn Führung dazu beitragen soll, dass eine Organisation überlebt, wäre es interessant, sich um die Frage nach Ausrichtung und Bedarf vorrangig zu kümmern, und auf dieser Basis die richtigen Impulse zu setzen. Der Diskurs darüber und die sich daraus ergebenden Antworten und Maßnahmen können für die Unternehmensführung hilfreicher sein als Standard- und Katalog-Weiterbildungen der Führungskräfte-Entwicklung. Wo eindeutige Orientierung nicht zu haben ist - und dies ist immer häufiger der Fall - , können solche Impulse auch in einer Suchbewegung, im Aufbau von Flexibilität angesichts unklarer Bedingungen oder im Aufbau von Notfallstrategien im Sinne eines Plan B bestehen. Was auch immer der Impuls ist: Er erfordert Kommunikation. Denn eine Strategie, die keiner kennt, nutzt niemandem.
These 2: Führen ist immer Führen von Veränderung - Es geht um (Lösungs-)Orientierung und Resonanz
Veränderung ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Denn Überleben bedeutet, sich immer wieder so zu verändern, dass eine erfolgreiche Anpassung an die Systemumgebung gelingt. Führen ist grundsätzlich immer Führen von Veränderung. Die Systemtheorie lehrt uns, dass Systeme sich quasi von beliebigen Ausgangszuständen in (gleiche) Zielzustände hineinentwickeln können (Prinzip der Äquifinalität). Es ist daher weniger wichtig, den Status quo zu analysieren als vielmehr, den Zielzustand zu erfassen und mögliche Veränderungshindernisse aus dem Weg zu räumen.
Wenn die Schlüsselkriterien dafür (Worauf kommt es am Ende an?) nicht vermittelt werden, wird der Suchprozess für Lösungen erschwert und mehr als nötig chaotisch. Dies hat weitreichende Konsequenzen für Führung. Kritik am Status quo ist vergangenheitsbezogen und enthält keine Orientierung über den Zielzustand. Zudem erzeugt sie, wenn sie Personen trifft, auch keine Resonanz, sondern meist das Gegenteil: Widerstand. Es kann als regelrechte "Führungssünde" gelten, durch die Art der Ansprache die Geschichte zu diskreditieren - auch unausgesprochen. Kritik kränkt und erzeugt Abwehr selbst noch dann, wenn sie berechtigt ist. Aber eben auch die Ansätze, die bis heute ganz besonders sinnvoll waren, sind nicht automatisch tauglich für morgen. Veränderungsbedarf konsequent "aus der Zukunft heraus" zu begründen und zu führen, schafft eine veränderte Legitimation, die dringend gebraucht wird, gerade wenn das "Alte" zugunsten des "Neuen" zerstört, aufgegeben, verlassen werden muss. Orientierung und "Übersetzung" der Anforderungen, wo die Veränderungskriterien nicht für alle sichtbar und evident sind, kann ungemütlich sein, fördert jedoch Lösungsorientierung und Dringlichkeit. Denn eine realistische Zukunftsausrichtung kann sehr viel Veränderungsdruck schaffen, ermöglicht jedoch Ändern ohne Gesichtsverlust - im Großen wie im Kleinen.
In den Vordergrund rückt damit - auch im Mitarbeitergespräch - die Frage nach den Hindernissen und danach, was gebraucht wird, um sie zu überwinden und die Anpassung an das Kommende zu leisten. Es spricht nichts dagegen, dabei die "Messlatte" hoch zu legen. Systeme, die Kritik und Person-Bewertung in den Vordergrund stellen, sind mit dieser Logik indes inkompatibel. Gängige Beurteilungs- und Person-Evaluierungsinstrumente geben den Beteiligten eine Rückmeldung zu ihrer relativen Position im System anhand von Daten aus der Vergangenheit ("Wie gut war ich im Vergleich zu den Andern"). Dies trägt nicht nur nichts zur Bewältigung der Zukunftsanforderungen bei, es kann sie sogar behindern. Wer Exzellenz möchte, tut sich daher vermutlich keinen Gefallen, im Rahmen beispielsweise von Mitarbeiter-Ranking dem Großteil der Organisationsmitglieder Mittelmaß zu bescheinigen (Pygmalion-Effekt der Self-fullfilling prophecy).
These 3: Führen erfordert das Erzeugen von Entscheidungen - Es geht um die Ermöglichung gerichteter Selbstregulation
"Strategy is about Choice": Jede Bewegung erfordert Entscheidungen. Was man berechnen kann, muss man nicht entscheiden - entscheiden muss man nur, was nicht sicher ist. So hat, wer die Wahl hat, immer auch die Qual - und die nimmt zu. Denn bei zunehmender Komplexität in einer immer weniger überschaubaren Welt sind Entscheidungsfolgen kaum mehr abschätzbar, und Alleinverantwortung wird zu einer großen Belastung. Die Entscheidungsqualität von Gruppen bleibt dennoch meist hinter der von Individuen zurück (Risk shift): So wie geteiltes Leid als halbes Leid gilt, scheint Verantwortung sich zu verringern, wenn sie "vergemeinschaftet" wird. Es ist daher sinnvoll, individuelle Verantwortung bei Entscheidungen "hochzufahren", das Ausmaß der Verantwortung aber aufzuteilen.
Führungsentscheidungen werden besser durch "open consultation" - durch Beratung mit Andern. Die Qualität steigt enorm, wenn geklärt wird, welche Systemperspektiven Relevanz für das gemeinsame Überleben haben - und wann diese Perspektiven den größten Einfluss auf die Entscheidung erhalten. Nicht immer sind das die Sichtweisen der Führungskräfte oder der externen Berater. Damit stellt sich die Frage, wie Entscheidungsprozesse intelligent und "von außen nach innen" organisiert werden können. Ein Beispiel hierfür sind soziokratisch organisierte Teams oder ganze Unternehmen, die Entscheidungen integrativ fällen - in miteinander "verlinkten" Zirkeln.
Diese Unternehmen haben angesichts zunehmender Dynamik und Komplexität auf die Maximierung von Selbstorganisation umgestellt, weil starre hierarchischen Zielvorgaben und operative Vorschriften nicht mehr funktionierten: Einem Baum etwa (einem lebendem, komplexen System) kann man nicht befehlen, wohin er wachsen soll. Drei Steuerungsansätze ermöglichen (in diesem Bild gesprochen) jedoch gerichtete Selbstregulation:
- Ausrichtung ( die "Lichtquelle") (Sinn, Vision, Mission und Übersetzung in Strategie)
- Leitplanken (Begrenzung, Beschneidung) (Was darf NICHT passieren, kritische Erfolgsfaktoren)
- Ressourcen ( "Düngen und Gießen") (Empowerment)
Ausrichtung (Orientierung) ist die Voraussetzung für gerichtetes Agieren. Der Gedanke der "Leitplanke" beinhaltet, dass es möglicherweise wichtiger ist, zu vermitteln, was NICHT passieren darf, als Sollvorgaben zu dem zu formulieren, was im Einzelnen passieren soll. Regeln und Grenzen "führen" - ähnlich wie im Straßenverkehr, wo Verkehrsregeln und Bordsteinkanten allen ermöglichen, sich zu bewegen, ohne dass ein Verkehrspolizist neben einer funktionierenden Ampelanlage ebenfalls mit den Armen herumwedelt. Direkte Führung ist dort erforderlich, wo die Dinge so NICHT von alleine laufen... und entsteht in diesem Fall in der Regel dann schnell aus der Gruppe heraus: Dann nimmt meist jemand "das Heft in die Hand" ...
Sich über die "Ampelanlagen" ( Regeln und Leitplanken ) Gedanken zu machen, wird immer wichtiger. Viele Führungs- und Management- "Systeme" binden Führungsenergie, zahlen aber bei näherer Betrachtung nicht auf das Arbeitsergebnis ein - weil sie überreguliert sind, den "Verkehrsfluss" behindern oder die Energie in irrelevante Zonen lenken (wie beispielsweise starre Zielvereinbarungssysteme, Beurteilungsgespräche und Mitarbeiterranking ).
These 4: Führen ist Einsatz für Resultate - Es geht um die tatsächliche erzielte Wirkung
Das Arbeitsergebnis ist jedoch der Sinn der Sache. Führung, die zu nichts führt, ist als Beitrag vollständig verzichtbar. Die Orientierung am Resultat, an der tatsächlich erzielten Wirkung, führt zurück zum Grundsatz der wechselseitigen Bedarfsklärung. Das Monitoring der Resultate ist Orientierung an der Realität - und motiviert nahezu automatisch, wenn die erzielte Wirkung in die richtige Richtung geht, und somit sinnvoll ist.
Die Resultate - wer profitiert davon? Verteilungskämpfe in Organisationen drehen sich stets um "Gerechtigkeit" in der Frage, wem die Resultate gehören, wie die Beute (selbst die immaterielle...) zu verteilen ist. Systeme, die zur Verteilung der Beute erfunden werden, verhindern nicht selten, dass der Bär überhaupt erlegt werden kann. Auch für Informations- Kommunikations- und Entlohnungssysteme stellt sich die Frage, welche Auswirkung sie tatsächlich haben. Selbst wenn sie die "gefühlte" Verteilungsgerechtigkeit erhöhen, sind die unerwünschten Nebenwirkungen mancher "Performance-Beurteilung" für die Leistung kontraproduktiv, besonders, wenn es wichtiger wird, beim Arbeiten individuell "gut auszusehen" als tatsächlich gemeinsam etwas zu erreichen (Simon 2004). Führung hat die Funktion, den Vorrang des Resultats vor diesen Aushandlungsprozessen zu sichern, ohne dass die Verteilungskämpfe Gemeinschaft verhindern.
Denn das Resultat, die tatsächlich erzielte Wirkung ist das, was Unternehmen am Ende ihren Existenzgrund, ihren Sinn verleiht. Entsteht dabei kein "relativer Kundennutzen" am Markt (relativ zum Beispiel im Vergleich zu dem, was bereits vorhanden ist, was die Leistungsabnehmer selbst können oder kompensieren können), steht das Überleben des Unternehmens auf dem Spiel. Resultate sind insofern das, woran sich Führung immer messen lassen muss.
These 5: Führung ist das Erschaffen und Vertreten von Gemeinschaft - Es geht um die Sicherung der Gemeinschaftsinteressen
Eine Grundfunktion von Führung besteht darin, die Perspektive der Gemeinschaft vor dem Einzelnen zu vertreten und Gemeinschaftsinteressen vor Partikularinteressen durchzusetzen. Die Gemeinschaft als solche hat keine Stimme, und der Einzelne ist mit der kontinuierlichen Perspektivübernahme zugunsten der Gemeinschaft grundsätzlich und unabhängig von Ethik und Kompetenz überfordert. Die Vertretung der Gemeinschaft erfordert die bewusste und konsequente Besetzung der Perspektive des übergeordneten Systems. Damit haftet jeder Führungsbeziehung eine "Zumutung" im Sinne spezifischer Reibung an. Die notwendige Begrenzung von Partikularinteressen (auch der eigenen) verläuft nicht immer konfliktfrei. Das Veto sichert wiederum, dass bei dieser Begrenzung nicht "über Leichen gegangen" wird.
Führungskräfte, denen dies klar ist, müssen nicht "bossig" auftreten. Denn die Gemeinschaftsanliegen wirklich zu vermitteln, erzeugt Legitimation - auch in schwierigen Zeiten. Führungskräfte jedoch, die vergessen, dass sie Verantwortung für die Gemeinschaft tragen, der sie vorstehen, und die statt dessen in die eigene Tasche wirtschaften, sind ein Problem und gefährden die Organisation. Die Versuchung ist groß: Ein kleines sozialpsychologisches Experiment, das Keks-Experiment der Machtforscherin Deborah Grubenfeld (Stanford University) zeigt: Wer Macht hat, benutzt sie sofort - auch zum eigenen Vorteil. Gibt man in einer kleinen Gruppe einem Teilnehmer Statusmacht, indem man ihn Beiträge von Anderen bewerten lässt, und stellt im Anschluss Kekse auf den Tisch, kann man beobachten, dass der so positionierte Teilnehmer sich signifikant ausgiebiger an der Keksschüssel bedient - und mehr krümelt...
Systeme, die Konkurrenz nach innen erzeugen, münden in Silodenken und torpedieren ebenfalls die Gemeinschaft. Die intelligente Organisation von integrativen, gemeinschaftssichernden Entscheidungen ist eine hohe Anforderung. Inspirierend und wegweisend sind hierzu soziokratische und holakratische Arbeitsansätze. Organisationen, die nach diesen Prinzipien geführt werden, sind auf mehreren Ebenen in Teamkreisen organisiert, die untereinander verlinkt sind und Entscheidungen nach dem so genannten KonsenT-prinzip treffen. Statt Entscheidungen hierarchisch "durchzudrücken" oder umgekehrt dem Sog des Konsens zu erliegen, wird in diesen hochvernetzten Organisationen der gewichtige Einwand - auch bottom up - als "Leitplanke" ernst genommen. Im Prinzip kann der gewichtige Einwand - auch wenn Entscheidungen schnell fallen müssen wie beispielsweise am OP-Tisch - verstanden werden als wesentliche Risikoinformation aus einem betroffenen Milieu, die an die Entscheider kommuniziert wird. Die Bearbeitung und Abwägung von ernsthaften Einwänden sichert, dass Einzelne sich nicht auf Kosten Anderer (inclusive des Kunden) durchsetzen können und führt zu einer höheren Entscheidungsqualität im Sinne des Gesamten.
These 6: Führung ist keine "Stilfrage" - Es geht darum, den Führungsbedarf zu erfassen
Welche Rolle spielt bei alldem die Führungspersönlichkeit? Menschen haben einen unterschiedlichen persönlichen Stil im Sinn von Temperament, Einstellung und Lebensphilosophie. Ihre Verhaltensoriginalität fließt in ihre Arbeitsansätze ein. Nimmt man die Frage nach der Funktion von Führung ernst, kann Führung jedoch keine "Stilfrage" sein. Vielmehr käme es darauf an, unabhängig vom persönlichen Stil den tatsächlichen Führungsbedarf herauszufinden - und zu treffen. Dies erfordert in vielen Fällen sogar, den persönlichen, durch Temperament und persönliche Präferenzen geprägten spontanen Ansatz einzubremsen. Wer beispielsweise sehr schnell, entschlossen und extravertiert ist, mag zur "klaren Ansage" neigen, wer sich konsensorientiert verhält, mehr zur Partizipation. Je egozentrischer die Perspektive der Führungskraft, desto eher wird sie das eigene Temperament mit dem tatsächlichen Bedarf verwechseln. Die vielgepriesene "Authentizität" reicht dabei nicht aus: Man kann seinem Nächsten völlig authentisch ein Messer in den Rücken rammen.
Wer einen Bedarf identifizieren und sich entsprechend ausrichten möchte, könnte "zum Äußersten greifen" und schlicht danach fragen , was gebraucht wird - nach der Logik einer "Auftragsklärung" an allen relevanten Schnittstellen. Dieser einfachste aller Zugänge findet sich jedoch so gut wie in keinem Mitarbeitergesprächsleitfaden. Statt dessen wird diskutiert, wie man einander "findet" und einschätzt (dies wird fälschlicherweise als Feedback bezeichnet). Diese Fragestellung belastet in unnötiger weise die Beziehungen und erzeugt schnell Kränkungen und Risiken. Sich für den wechselseitigen Bedarf in der Zusammenarbeit zu interessieren, ist dagegen nicht nur sehr viel funktionaler, sondern auch sehr viel wertschätzender. Kommunizierte Bedarfe müssen und können oft nicht 1:1 bedient werden kann, sind aber der angemessene Einstieg in den Diskurs. Während Wünsche und Erwartungen keinen zwingenden Bezug zur Arbeit haben ist die Frage was man voneinander braucht, schon sprachlich an einen Sinn, an ein "um zu" gebunden. Dies versachlicht die Kommunikation und führt direkter zur Erzeugung von Lösungen.
These 7: Führung wird durch die Geführten realisiert - Es geht um Zugehörigkeit und Sinn
Am Ende wird Führung durch die Geführten - die Follower - realisiert. Mitarbeiter, die sich von ihren Vorgesetzten unterstützt wissen, arbeiten effektiver und sind weniger gestresst. Motivation, soweit sie über die Realisierung der Grundbedürfnisse (Essen, Schlaf, Sicherheit, menschliche Anerkennung) hinausgeht, entsteht immer aus der Sinnfrage. Das, was für uns Sinn macht, womit wir uns identifizieren, entspringt unserer Zugehörigkeit zu Wertewelten und wichtigen Menschen. Wozu? Für wen und was? sind (oft unausgesprochene) Fragen, die beantwortet werden wollen. Wenn die Resultate, die Wirkung, der relative Kundennutzen einen Sinn ergeben, mit dem man sich verbinden kann, entsteht Identifikation und Motivation. Führung ist so gesehen maßgeblich Kommunikation von Sinn - oder wenigstens beabsichtigtem Sinn (Intention). Die prinzipielle Informations- und Vermittlungslücke, die durch unterschiedliche Positionen im System entsteht, kann dabei nur durch Vertrauen geschlossen werden - wir müssen denjenigen glauben, die einen anderen Einblick haben als wir selbst.
Das, was wir als sinnhaft erleben, zeigt über unser Eigeninteresse hinaus immer Bezüge zu Humanität, Ethik und Transzendenz. Führungspersonen, die diese Bezüge persönlich vermitteln, werden als beflügelnd erlebt, weil sie Menschen dazu einladen, ihr Potenzial für sinnhafte Ziele einzusetzen. Man arbeitet gerne mit ihnen zusammen - und gerne für das, was sie vertreten. Sie schaffen - so hat es Robert Dilts einmal ausgedrückt - eine Welt, der Menschen zugehören möchten. So lassen sich die Besten nicht nur gewinnen, sondern auch dauerhaft halten.
Führung in Unternehmen verbessern
Die Funktion von Führung wirklich zu verstehen, erleichtert das Führungshandeln für alle Beteiligten. In Beziehungen wird Rangordnung strukturell durch die formale Position, durch Kompetenz/Vermögen und durch Seniorität ("Ältere Rechte") erzeugt. Nicht immer vereinigt eine Führungskraft diese strukturellen Rangordnungsaspekte in ihrer Person. Die wesentlichen Führungsfunktionen, Gemeinschaftsinteressen und "Überleben" zu sichern, Entscheidungen und Resultate zu erzeugen, können aber auch in sehr schwierigen Führungskonstellationen und nicht durch Statusmacht gestützten Führungsbeziehungen immer als "Geländer" genutzt werden. Denn Argumente aus dieser Funktionalität heraus überzeugen, weil sie nicht machtbasiert sind und die Kompetenz und Seniorität von Anderen nicht in Frage stellen. Sie ermöglichen auch jungen und weniger erfahrenen Führungskräften, nicht aus purer Unsicherheit "bossig" aufzutreten.
Ungleich verteilte Entscheidungsmacht in sozialen Systemen trägt grundsätzlich zur Entscheidungs-geschwindigkeit bei. Fehlt jedoch die beschriebene Koppelung von Macht mit Verantwortlichkeit für die Gemeinschaft, wird Führung von ihrem Sinn, das Überleben der Gemeinschaft zu sichern, entfremdet. Goethes Forderung, die Mächtigen sozial zu kontrollieren, ist ernst zu nehmen - aber ebenso Bob Dylans "Don´t follow Leaders", wenn diese Kontrolle nicht gelingt.
Die Verführung zur Überheblichkeit ("Die Kekse stehen mir zu"), die mit der Übernahme von Führungsfunktionen (dazu zählen auch Berater, Ärzte, Coaches, Therapeuten ...) verbunden ist, bedarf kontinuierlicher und bewusster Eindämmung. Führungspersonen, die ihre Macht missbrauchen oder trotz aktiver Unterstützung durch Diskurse und Bedarfsklärung ihre Arbeit nicht verantwortungsvoll ausführen können oder wollen, sollten andere Aufgaben übernehmen (dürfen). Die konsequenteste Regelung dazu ist die Möglichkeit der Wahl/Abwahl der Führungsperson durch die Geführten - von einigen Betrieben realisiert (Filmtipp: Mein wunderbarer Arbeitsplatz). Auf der anderen Seite ist Führung Teil des Systems: Eine Führungskraft kann nur gut arbeiten, wenn die Geführten sie aktiv tragen. So genanntes "Charisma", das nur in Projektionen der Geführten besteht, kann an dieser Stelle durchaus gefährlich werden. Funktionales Führen durch aktive Bedarfsklärung erfordert Mündigkeit, sie erzeugt sie aber auch, indem sie sie beansprucht.
Ein sehr sinnvoller Weg, Führung direkt und positiv zu verbessern, ist der gelebte Diskurs der Führungskräfte über ihr Führungshandeln (Wie wollen wir führen? Was ist uns dabei wichtig? Worauf kommt es an?). Solche Führungsgespräche gewinnen Substanz, wenn der Austausch mit Schlüsselkriterien für gutes Führen und Überlebensfähigkeit von Organisationen hinterlegt wird (Rummel 2010). Die gegenseitige Unterstützung in Führungsthemen fördert das Bewusstsein, gemeinsam die Organisation zu führen und beinhaltet eine Absage an organisationsschädigendes Silo-Denken. Wo es gelingt, die Führungs"kraft" von Statusdenken, Dünkel und Machtfixierung zu befreien, können Führungspersonen persönlich stark entlastet werden, ohne aus ihrer Verantwortlichkeit "herauszufallen".
Die konkrete operative Führungsleistung kann sehr direkt verbessert werden, wenn Führungskräfte aktiv den Führungsbedarf an allen Schnittstellen, insbesondere mit den Mitarbeitern klären - im direkten lösungsorientierten Dialog. Denn wer gut führen möchte, tut gut daran, das Ziel der Reise zu klären - und die Geführten unterwegs zu fragen, was sie brauchen, um das Ganze nicht nur zu überleben, sondern so zu bewältigen , dass sie auch die nächste Reise gerne antreten - beim gleichen Veranstalter.
Literatur
*Doerner, K. (2002): Logik des Gelingens. Brandeins 07/02, 109-112
*Glatzel, K. (2012): Weder Organisation noch Netzwerk: Struktur, Strategie und Führung in Verbundnetzwerken. Heidelberg: Carl-Auer Verlag
*Rigotti, T., u.a. (2014): Rewarding and sustainable health producing leadership: Research Project F 2199. Dortmund-Berlin-Dresden:BAUA
*Rummel, M. (2010): Führung unter Stress. Resilienz aufbauen. In: Rigotti, T., Korek, S., Otto, K. (Hrsg.): Gesund mit und ohne Arbeit. Lengerich: Pabst Science Publishers
*Rummel, M.(2012): Der vermessene Mensch. Systhema 26 (3), S.267-275
*Simon, F.B. (2004): Gemeinsam sind wir blöd. Die Intelligenz von Unternehmen, Managern und Märkten. Heidelberg: Carl Auer-Verlag
Autor
Martina Rummel
mrummel(at)T-Online.de