Durch das 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) haben Unternehmen neue Möglichkeiten, ihr Personal auch im Ausland zu rekrutieren. Denn die gezielte Einwanderung ausländischer Fachkräfte wird eine immer größere Bedeutung einnehmen, um die Fachkräftelücke zu schließen. Jede Person mit einem Abschluss, einer Anerkennung des Abschlusses sowie einem Arbeitsplatzangebot kann in Deutschland arbeiten. Unternehmen können mit dem sogenannten ?beschleunigten Fachkräfteverfahren? signifikant Zeit sparen. Dieser Artikel soll die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen, Prozesse und Abläufe zusammengefasst darstellen.
Für einen Großteil der Unternehmen in Deutschland ist der Fachkräftemangel eine, wenn nicht sogar die zentrale Herausforderung, für die Geschäftsentwicklung. Über 50 % der Unternehmen gehen davon aus, zukünftig Fachkräfteengpässe im eigenen Unternehmen zu haben. 2021 können bundesweit ebenfalls über 50 % der offenen Stellen nicht innerhalb von drei Monaten besetzt werden. Die durchschnittliche Vakanzzeit bis zur Besetzung offener Stellen beträgt 129 Tage, im Vergleich zu 65 Tagen im Jahr 2011.
Unternehmen können ihre Rekrutierungsstrategien an mehreren Eckpfeilern orientieren, um die eigenen Vakanzzeiten möglichst gering zu halten. Der Grundpfeiler ist dabei immer, die inländischen Arbeitsmarktpotenziale durch Aus- und Weiterbildungsaktivitäten hervor zu heben. Vor allem Frauen in Teilzeitbeschäftigung, ältere Arbeitnehmer*innen, Menschen mit Behinderungen und schon in Deutschland lebende Personen mit Migrationshintergrund bieten viele ungenutzte Potenziale. Die gezielte Einwanderung ausländischer Auszubildender und ausländischer Fachkräfte wird jedoch eine immer größere Bedeutung einnehmen, um die Fachkräftelücke zu schließen.
2020 setzten Unternehmen bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels vor allem auf die oben genannten Grundpfeiler der Aus- und Weiterbildung sowie auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur 17 % der befragten Unternehmen rekrutierten ihre Fachkräfte aus dem Ausland.
Genau hier setzt das FEG an. Erstmalig ist es allen Personen auch aus dem nicht-europäischen Ausland (Drittstaaten) möglich, zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen ? wenn sie die entsprechenden Qualifikationen mitbringen. Neu ist, dass auch Personen mit einer qualifizierten Berufsausbildung aller Berufsgruppen einreisen dürfen. Dieser Paradigmenwechsel, weg von einem Zuwanderungsbegrenzungs- und Steuerungsgesetz und hin zu einem Einwanderungsgesetz, spiegelt sich auch im Namen des Gesetztes wieder und ist ein deutliches Zeichen der Öffnung.
Die Öffnung des Arbeitsmarktes gilt jedoch nur für ?Fachkräfte?. Zur einheitlichen Verwendung dieses Begriffes wurde dieser im Aufenthaltsgesetz erstmalig genau definiert. Jede Person mit einer qualifizierten Berufsausbildung von mindestens 2 Jahren oder einem abgeschlossenen Studium gilt als Fachkraft und kann von den vereinfachten Regelungen profitieren. Damit hat der Gesetzgeber auf den Bedarf der Wirtschaft nach Fachkräften mit mittlerem Qualifikationsniveau reagiert.
Die drei AAA ? Abschluss, Anerkennung, Arbeitsplatz
Ausländische Fachkräfte aus einem Drittstaat müssen drei Voraussetzungen erfüllen, um in Deutschland arbeiten zu können. Sie benötigen einen Abschluss, eine Anerkennung des Abschlusses sowie einen Arbeitsplatz in Deutschland. Wichtig beim Recruiting ist, dass es sich beim Abschluss entweder um einen formal erworbenen Berufsabschluss mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 2 Jahren oder um einen Hochschulabschluss handelt. Der Berufsabschluss muss im Heimatland staatlich anerkannt und mit einem Beruf vergleichbar sein, den es auch in Deutschland gibt. Auch der Hochschulabschluss muss im Heimatland akkreditiert und mit einem Hochschulabschluss in Deutschland vergleichbar sein.
Bei der Anerkennung des Abschlusses werden Inhalt und Dauer der ausländischen Ausbildung mit einer deutschen Ausbildung verglichen. In einem ersten Schritt wird geprüft, welcher deutsche Beruf dem Gelernten am ehesten entspricht (Referenzberuf). Anschließend prüft die zuständige Stelle, ob die Inhalte und die Dauer der vermittelten Inhalte dem deutschen Ausbildungsprofil entsprechen. Die Zuständigkeit, das zu überprüfen, liegt bei der für den jeweiligen Beruf zuständigen Kammer oder Landesbehörde. Sind die Ausbildungen gleichwertig, darf die Person zum Arbeiten einreisen. Sind die Ausbildungen zwar vergleichbar, werden jedoch auch Defizite im Vergleich zur deutschen Ausbildung festgestellt, dann stellt die zuständige Stelle eine sogenannte ?teilweise Gleichwertigkeit? aus.
Die theoretischen oder auch praktischen Defizite müssen in Deutschland nachgeholt werden, bevor die Person als Fachkraft arbeiten kann.
Eingestellt werden können ausländische Fachkräfte mit einer anerkannten Qualifikation, die sie zur Tätigkeit befähigt. Ob die Qualifikation zur Beschäftigung passt, prüft die Bundesagentur für Arbeit. Geprüft wird darüber hinaus, dass die ausländische Fachkraft zu den gleichen Bedingungen wie inländische Beschäftigte angestellt wird. Bewertet werden hier u.a. die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit sowie das Gehalt.
Das beschleunigte Fachkräfteverfahren
Planbarer wird das gesamte Einreiseverfahren für Unternehmen wie auch für Fachkräfte durch das beschleunigte Fachkräfteverfahren. Zeitlich klar definierte Fristen sollen die Bearbeitungszeiten der Anerkennungs- und Visaanträge verkürzen. Das gesamte Einreiseverfahren vom Beginn des Verfahrens bis zur Ausstellung des Visums soll damit in der Regel maximal 4 Monate in Anspruch nehmen.
Das Verfahren kann bei der regional zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden, wenn Einigkeit über das künftige Arbeitsverhältnis besteht. Dabei profitieren Unternehmen neben den verkürzten Bearbeitungsfristen für die Anerkennung des ausländischen Abschlusses und für die Ausstellung des Visums ebenfalls davon, dass die Ausländerbehörde den Unternehmen alle administrativen Arbeiten abnimmt.
Konkret bedeutet das, dass die Ausländerbehörde zu Beginn die Anerkennung des Abschlusses bzw. die Zeugnisbewertung in die Wege leitet. Im Anschluss daran leitet die Ausländerbehörde das Ergebnis sowie eine Erklärung zu den Beschäftigungsbedingungen an die Bundesagentur für Arbeit weiter, die diesen zustimmen muss. Parallel prüft sie die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen, bevor alle Informationen an die deutsche Auslandsvertretung übermittelt werden. Im letzten Schritt muss die ausländische Fachkraft noch aktiv werden und einen Termin zur Beantragung des Visums vereinbaren, bevor sie mit einem gültigen Visum nach Deutschland einreisen kann.
Sonderregelungen
Was wäre ein Gesetz ohne Ausnahmen? Auch im FEG gibt es einige Sonderregelungen, die von den oben genannten Voraussetzungen für die Einreise nach Deutschland abweichen. Die erste Sonderregelung betrifft ausländische Fachkräfte ab dem 45. Lebensjahr, für die eine zusätzliche Mindestgehaltsgrenze eingeführt wurde. Personen dieser Altersgruppe müssen mindestens 55 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung verdienen. 2021 sind das 3.905 ? brutto pro Monat. Nur wer diese Grenze überschreitet, oder eine angemessene Altersvorsorge nachweisen kann, darf in Deutschland arbeiten.
Zwei weitere Sonderregelungen bieten Vereinfachungen für Unternehmen, wie auch für Fachkräfte. Denn sowohl Spezialisten in der Informations- und Kommunikationstechnologie als auch Berufskraftfahrer können unter bestimmten Voraussetzungen ohne Abschluss in Deutschland arbeiten. Für diese Berufsgruppen entfällt der kostenintensive und zeitaufwendige Schritt der Anerkennung des Abschlusses.
Praxistipps (Zusammenfassung ? Fazit)
Unternehmen und Fachkräfte müssen grundsätzlich drei Voraussetzungen berücksichtigen. Sind diese erfüllt, kann die Person nach Deutschland einreisen:
- Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet Unternehmen die Möglichkeit, ausländische Fachkräfte mit beruflicher und akademischer Qualifikation zu beschäftigen.
- Der berufliche oder akademische Abschluss muss mit einem deutschen Abschluss vergleichbar sein.
- Die Qualifikation muss zur Beschäftigung befähigen. Dabei ist es Akademikern möglich, auch in Berufen zu arbeiten, für die eine berufliche Qualifikation vorausgesetzt wird.
- Das beschleunigte Fachkräfteverfahren gibt allen Beteiligten Planungssicherheit
Quellen
- Mayer, Matthias; Clemens, Marius (2021), in Bertelsmann Stiftung (Hrsg.):
Fachkräftemigrationsmonitor
- Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berichte: Analyse Arbeitsmarkt, Gemeldete Arbeitsstellen nach Berufen (Engpassanalyse), April 2021
- Website Anerkennung in deutschland
Autoren
Ingo Henning
henning(at)rkw-nord.de
Lars Mund
mund(at)rkw-nord.de
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