Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen birgt ein großes Potential zur Deckung von Fachkräftebedarfen. Sie schafft Transparenz und Vergleichbarkeit für Arbeitgeber*Innen, ermöglicht die qualifizierte Zuwanderung von Fachkräften und kann helfen, verdeckte Fachkräftepotentiale sichtbar zu machen. Dieser Artikel stellt in kurzer Form dar, was unter Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu verstehen ist und wie ein solches Verfahren abläuft. Es wird aufgezeigt, welche Vorteile und Chancen die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen für deutsche Unternehmen bietet.
Was bedeutet Anerkennung?
Die Anerkennung eines ausländischen Abschlusses bedeutet, dass die ausländische Ausbildung in Inhalt und Dauer mit einer deutschen Ausbildung übereinstimmt. Geprüft wird dies durch die für den jeweiligen Beruf zuständige Kammer oder Landesbehörde. Der/die Inhaber*in des ausländischen Abschlusses stellt hierfür einen Antrag auf Überprüfung der Gleichwertigkeit für den sogenannten deutschen Referenzberuf. Dafür müssen immer der Antrag auf Anerkennung, ein Identitätsnachweis (Pass) sowie Nachweise über Inhalte und Dauer der Qualifikation eingereicht werden. Die Kosten für den Antrag variieren zwischen 100 EUR und 600 EUR, hinzu kommen ggf. Kosten für Übersetzungen o. ä.. In einem Verwaltungsverfahren wird geprüft, ob die Ausbildungsinhalte und -zeiten der ausländischen Qualifikation dem deutschen Ausbildungsprofil entsprechen. Am Ende wird in einem offiziellen Bescheid bestätigt, ob die Ausbildung gleichwertig ist.
Drei Ergebnisse sind bei der Anerkennung eines Berufsabschlusses möglich: Die volle, die teilweise oder keine Gleichwertigkeit. Teilweise Gleichwertigkeit bedeutet, dass die Ausbildungen zwar vergleichbar sind, es jedoch auch Unterschiede gibt. Diese Unterschiede werden im Bescheid aufgelistet und können durch eine entsprechende Nachqualifizierung in Deutschland ausgeglichen werden. Fehlt es vor allem an Theorie, ist der Besuch einer Schule, Hochschule oder eines Kurses bei einem Bildungsträger denkbar, der parallel zur Arbeit stattfinden kann. Fehlt es vor allem an Praxis, dann kann die Weiterbildung "on-the-job", also im Betrieb, erfolgen. So kann eine volle Gleichwertigkeit erreicht werden.
Bei akademischen Abschlüssen reicht in der Regel eine Zeugnisbewertung. Dies geschieht entweder über das allgemeine Infoportal der Kultusministerkonferenz (Datenbank anabin), oder über eine individuelle Zeugnisbewertung durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB). Auch hier sind drei Ergebnisse möglich: Gleichwertig, entspricht und bedingt vergleichbar mit einem deutschen Hochschulabschluss. Die beiden ersten Ergebnisse bedeuten in Kombination mit einer positiv bewerteten Hochschule, dass der ausländische akademische Abschluss anerkannt ist. Bedingt vergleichbar bedeutet, dass es Unterschiede zu einem entsprechenden deutschen Abschluss gibt und der Abschluss damit nicht anerkannt wird.
Welche Vorteile bietet die Anerkennung für Unternehmen?
- Offizielle Dokumente und Zeugnisse spielen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle. Ein offizieller Anerkennungsbescheid bzw. eine Zeugnisbewertung kann zudem Personalverantwortlichen bei der Einschätzung und Bewertung ausländischer Qualifikationen helfen. Denn reicht ein/e Bewerber*in ausschließlich ausländische Zeugnisse ein, fällt es zumeist nicht nur aufgrund sprachlicher Hürden schwer, die Qualifikationen richtig einzuschätzen. Selbst, wenn Zeugnisse übersetzt werden, weiß die/der Arbeitgeber*in nicht genau, was und in welchem zeitlichen Umfang ein/e Bewerber*in im Ausland gelernt hat. Der Anerkennungsbescheid bzw. die Zeugnisbewertung schafft also Transparenz und Vergleichbarkeit, indem die im Ausland erworbenen Fähigkeiten und Qualifikationen im Vergleich zu einem deutschen Abschluss eingeordnet werden können. Für Arbeitgeber*innen erweitert sich so der Pool potentieller Mitarbeitender.
- Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse öffnet darüber hinaus einen weiteren Lösungsansatz gegen den Fachkräftemangel. Denn seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) am 1. März 2020 können Fachkräfte unter bestimmten Voraussetzungen auch aus den sogenannten Drittstaaten, also aus Staaten außerhalb der Europäischen Union, in Deutschland arbeiten. Das war vorher nur für wenige Berufsgruppen möglich. Eine Voraussetzung für die Einreise nach Deutschland ist die Anerkennung des Abschlusses. Für Unternehmen öffnet die Anerkennung ausländischer Abschlüsse die Möglichkeit, neue Mitarbeitende aus dem Ausland einzustellen.
- Zudem bietet die Anerkennung von Abschlüssen die Chance, verdeckte Potentiale im Unternehmen sichtbar zu machen. So können Mitarbeitende, die trotz qualifizierter Ausbildung im Ausland in Deutschland auf Helferniveau arbeiten, durch die Anerkennung ihrer Abschlüsse zu Fachkräften werden und damit zusätzliche Aufgaben übernehmen.
- Die Anerkennung des Abschlusses trägt zu einer besseren Einschätzung der beruflichen Fähigkeiten von Mitarbeitenden bei. Dadurch kann der mögliche Bedarf einer Weiterbildung oder Nachqualifizierung individuell bestimmt werden. Für eine Aufstiegsqualifizierung mit Meister- oder Technikerabschluss ist die Anerkennung des ausländischen Abschlusses Voraussetzung.
- Außerdem können Arbeitgeber*innen durch die Unterstützung bei der Anerkennung ihren Mitarbeitenden gegenüber persönliche Anerkennung und Wertschätzung ausdrücken. Das wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeitenden aus, was sich positiv auf die Bindung an den Betrieb auswirken kann.
Ist die Anerkennung ein Muss?
Das Anerkennungsgesetz bildet die gesetzliche Grundlage der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Demnach kann jede/r Inhaber*in eines ausländischen Abschlusses, unabhängig von Herkunft, Wohnort und Aufenthaltsstatus, auch aus dem Ausland heraus einen Antrag auf Anerkennung des Abschlusses stellen. Die Anerkennung ist für die meisten Berufe optional. Hierbei wird zwischen reglementierten und nicht-reglementierten Berufen unterschieden:
- In einigen Berufen ist die Anerkennung des Abschlusses zwingende Voraussetzung, um in diesem Beruf in Deutschland arbeiten zu dürfen. Dies betrifft beispielsweise Ärzt*innen und Krankenpflegekräfte, aber auch Lehrer*innen und Erzieher*innen. In allen sogenannten reglementierten Berufen ist eine offizielle Anerkennung des ausländischen Abschlusses unumgänglich. In den reglementierten Berufen muss neben der Anerkennung auch eine Berufszulassung erteilt werden, für die noch weitere Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Das sind entsprechende Deutschkenntnisse sowie die gesundheitliche und persönliche Eignung, die durch ein Sprachzertifikat, eine ärztliche Bescheinigung sowie ein Führungszeugnis belegt werden müssen.
- Die meisten deutschen Berufe des dualen Ausbildungssystems sowie viele akademische Berufe sind jedoch nicht-reglementiert. Weder eine Anerkennung des ausländischen Abschlusses noch die Berufszulassung ist in diesen Fällen zwingend erforderlich, bietet jedoch die oben genannten Vorteile. Fachkräfte, die sich noch im nicht-EU-Ausland aufhalten, müssen ihren Abschluss für die Einreise nach Deutschland immer anerkennen lassen.
Ist ein Anerkennungsverfahren erfolgversprechend?
In jedem Anerkennungsverfahren wird auf Grundlage der vorgelegten Zeugnisse und Dokumente geprüft, ob der ausländische Abschluss anerkannt werden kann. Die Entscheidung, ob eine volle Gleichwertigkeit, eine teilweise Gleichwertigkeit oder keine Gleichwertigkeit vorliegt, ist demnach vom Einzelfall abhängig. Eine vorherige Einschätzung, ob die Anerkennung eines bestimmten Abschlusses erfolgversprechend ist, lässt sich folglich nicht abgeben.
Doch die Zahlen sprechen für sich: 2020 wurden ca. 54 % aller Anerkennungsverfahren mit einer vollen Gleichwertigkeit beschieden. Bei 43 % aller Verfahren wurden Defizite des ausländischen Abschlusses im Vergleich zum deutschen Abschluss festgestellt und eine teilweise Gleichwertigkeit ausgestellt. Durch eine Nachqualifizierung konnte in diesen Fällen eine volle Anerkennung erreicht werden. Lediglich 3 % der Anerkennungsanträge sind negativ beschieden worden.
Ablauf des Verfahrens
Links
Anerkennung in Deutschland Das Informationsportal der Bundesregierung
Das Infoportal zu ausländischen Bildungsabschlüssen anabin
Make it in Germany Das Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland
KOFA Fachkräftesicherung für kleine und mittlere Unternehmen
Autor
Henning, Ingo
henning(at)rkw-nord.de
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