Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Benachteiligungen aus acht Gründen verhindern oder beseitigen. Ein wesentlicher Anwendungsbereich ist der Schutz von Beschäftigten vor Diskriminierungen. Arbeitgeber haben nach dem Gesetz einige Pflichten zu erfüllen. Der Beitrag nennt die wichtigsten Inhalte des AGG, die Arbeitgeberpflichten und die zu ergreifenden Maßnahmen.
Was bedeutet Gleichbehandlung?
Grob gesagt geht es darum, dass keinem Beschäftigten und keinem Bewerber Nachteile auf Grund eines der folgenden acht Merkmale (§ 1 AGG) entstehen dürfen:
- Rasse
- ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Religion
- Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- sexuelle Identität
Eine unterschiedliche Behandlung ist nur dann zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Das Gesetz führt in § 20 AGG solche Gründe auf. Der bekannteste Ausnahmefall ist ein Arbeitgeber aus den christlichen Kirchen, der unter bestimmten Bedingungen auf einem entsprechenden Bekenntnis seiner Beschäftigten bestehen darf.
Die Kosten für Schwangerschaft und Mutterschaft sind ausdrücklich ausgenommen, sie erlauben keine unterschiedliche Behandlung, beispielweise bei Prämien oder Leistungen (§ 20 Abs. 2 AGG).
Wann liegt eine Benachteiligung oder Diskriminierung vor?
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ungünstiger behandelt wird als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.
Beispiel: Sie suchen per Annonce eine "junge, dynamische Führungskraft". Hierin könnte eine unmittelbare Diskriminierung älterer Bewerber liegen.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können.
Beispiel: Sie gewähren Ihren Beschäftigten ab einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe eine betriebliche Altersversorgung. Etwa 90 Prozent der Mitarbeiter mit niedriger Vergütungsgruppe sind jedoch Frauen. Die Altersversorgungsregelung knüpft zwar nicht unmittelbar an ein Benachteiligungsmerkmal des AGG an, mit einer solchen Regelung würden Sie jedoch mittelbar die Frauen diskriminieren.
Eine Belästigung ist dann eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Auch für eine sexuelle Belästigung ist maßgeblich, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Dazu zählen sowohl Bemerkungen sexuellen Inhalts wie sexuell bestimmte Verhaltensweisen oder Handlungen, auch das unerwünschte Zeigen oder sichtbare Anbringen pornografischer Darstellungen (§ 3 Abs. 4 AGG).
Arbeitgeberpflichten und Rechte der Beschäftigten
Das AGG verbietet in § 7 ausdrücklich die Benachteiligung der Beschäftigten. Benachteiligungen sind eine Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, gegen eine Benachteiligung seiner Beschäftigten durch andere Beschäftigte einzuschreiten, um sie zu unterbinden, notfalls sogar mit einer Kündigung (§ 12 Abs. 3 AGG).
Ebenso muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten vor Benachteiligung durch Dritte schützen, beispielsweise Kunden oder Lieferanten (§ 12 Abs.4 AGG).
Vorbeugend muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Unzulässigkeit der Benachteiligung hinweisen (§ 12 Abs. 2 AGG). Dies kann in Rahmen von beruflicher Aus- und Weiterbildung erfolgen oder durch eine separate Schulung nur zu diesem Thema. Im Gesetz ist geregelt, dass der Arbeitgeber mit einer entsprechenden Schulung seiner Pflicht genügt.
Das Benachteiligungsverbot bezieht sich auch auf Bewerberinnen und Bewerber: Zu besetzende Arbeitsplätze müssen diskriminierungsfrei ausgeschrieben werden (§ 11 AGG).
Eine weitere Pflicht des Arbeitgebers ist die Information der Beschäftigten über das Gesetz (§ 12 Abs. 5 AGG), wie Sie es beispielsweise vom Jugendarbeitsschutzgesetz kennen. Ein Aushang an allgemein zugänglicher Stelle oder die Veröffentlichung im Intranet sind die üblichen Wege.
In diesem Zusammenhang muss der Arbeitgeber auch mitteilen, bei welcher Stelle des Betriebs oder Unternehmens sich Beschäftigte beschweren können, wenn sie sich benachteiligt fühlen (§13 AGG). Die Beschwerden müssen geprüft und das Ergebnis der Prüfung der oder dem Beschwerdeführenden mitgeteilt werden. Der Betriebsrat hat bei der Einrichtung und Besetzung der Beschwerdestelle kein Mitbestimmungsrecht, allerdings bei der Frage, wie das Verfahren der Beschwerdeprüfung ausgestaltet wird (nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
Schließlich darf niemand gemaßregelt werden, weil er seine Rechte aus dem AGG wahrnimmt oder jemanden dabei unterstützt (§ 16 AGG). Umgekehrt hat der Beschäftigte, der sich belästigt fühlt und dessen Arbeitgeber nichts oder nur ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung dieser Belästigung unternimmt, das Recht, ohne Entgeltverlust seine Leistung zu verweigern (§ 14 AGG). Auch hieraus dürfen ihm natürlich keine Nachteile entstehen.
In § 22 des AGG ist geregelt, dass der Beschuldigte beweisen muss, dass keine Benachteiligung vorgelegen hat. Ist eine Benachteiligung erwiesen, hat der Betroffene ein Recht auf Entschädigung und Schadensersatz (§ 21).
Maßnahmen zur Umsetzung der Arbeitgeberpflichten
Im ersten Schritt sind auf jeden Fall diese Maßnahmen zu ergreifen:
Aushang oder Veröffentlichung des AGG im Intranet, am Schwarzen Brett oder einer anderen, im Unternehmen üblichen Art und Weise, Nennung der Beschwerdestelle und der Klagefristen für Ansprüche auf Entschädigung. Diese Information muss den Beschäftigten während der üblichen Geschäftszeiten so unkompliziert wie möglich zugänglich sein.
Benennung der Beschwerdestelle: Diese Aufgabe kann beispielsweise die Personalabteilung übernehmen. Es muss nicht extra jemand dafür benannt werden, ein "Antidiskriminierungsbeauftragter" oder ein Gremium für Fairness am Arbeitsplatz sind jedoch möglich. Gegebenenfalls werden sie in Absprache mit dem Betriebsrat eingerichtet. Das gilt auch für ein eventuelles formalisiertes Verfahren für die Prüfung der Beschwerden.
Schulung der Beschäftigten: Um seinen Präventionspflichten zu genügen, muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten wenigstens schulen. Sinnvoll ist es beispielsweise, bereits Auszubildende im Rahmen der Ausbildung regelmäßig auf das Benachteiligungsverbot hinzuweisen. Ebenso sollten neu Eingestellte auf das Diskriminierungsverbot hingewiesen werden. Im Übrigen sollten Sie Ihren Beschäftigten bei jeder passenden Gelegenheit sehr deutlich machen, dass Sie keinerlei Diskriminierungen dulden werden.
Überprüfung der Rekrutierungs- und Einstellungsprozesse
Dass Stellenangebote geschlechtsneutral zu formulieren sind, hat sich weitgehend herumgesprochen. Eine mögliche Hürde können auch Online-Ausschreibungen darstellen, etwa, wenn der Internetauftritt nicht barrierefrei gestaltet ist. Ein Kontaktformular für die Online-Bewerbung sollte keine Felder mit Fragen nach dem Geschlecht (Anrede), Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Familienstand oder Behinderung enthalten.
Mit einer anonymen Bewerbung ließen sich alle möglichen Benachteiligungen umgehen. Anders als im angelsächsischen Raum ist sie hierzulande unüblich. Allerdings sollten Sie sich über eine anonyme Bewerbung nicht mehr wundern.
Sie sollten beachten, dass Verstöße gegen das AGG, die ein von Ihnen mit der Personalbeschaffung beauftragtes Unternehmen begeht, auf Sie zurückfallen. Hat also eine Personalvermittlung eine Stellenanzeige für einen bei Ihnen zu besetzenden Arbeitsplatz nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben, können unberücksichtigte Bewerber Sie verklagen.
Mögliche Benachteiligungen im Auswahlverfahren lassen sich vermeiden, wenn Sie die Kriterien für die Auswahl vor Beginn des Verfahrens festlegen und dokumentieren. In vielen Fällen sind klare Anforderungsprofile für die ausgeschriebene Stelle definiert, aus denen sich die Auswahlkriterien ableiten und gewichten lassen. Abgesehen von den Anforderungen des AGG gewinnen Sie damit Sicherheit bei Ihrer Einstellungsentscheidung.
Bewerbungsgespräche sollten Sie zu zweit (unter "Zeugen") führen. Häufig sind sowieso die Fachabteilung/der Fachvorgesetzte und die Personalabteilung vertreten. Alle Beteiligten sollten die Bewerberunterlagen kennen und selbstverständlich die Kriterien für die Auswahl. Das Gespräch und vor allem die Entscheidung für eine Kandidatin oder einen Kandidaten sollten Sie dokumentieren und die Dokumente aufbewahren.
In der Praxis werden in einem Absageschreiben keine Gründe für die Absage mehr genannt. Dies ist zwar für viele Bewerber misslich, für Arbeitgeber aber der sicherste Schutz gegen Schadensersatzklagen. Darum sollten Sie bei Nachfragen abgelehnter Bewerber auch am Telefon niemals den Grund für eine Nicht-Einstellung nennen.
Überprüfung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen
Arbeitsverträge ? auch die bereits bestehenden ? sollten keine Anknüpfungspunkte an eines der acht Diskriminierungsmerkmale bieten. Kritische Punkte sind: Urlaubsregelung in Abhängigkeit vom Alter, Freistellung/Sonderurlaub nach Familienstand, Koppelung von Arbeitszeitmodellen an den Familienstand (beispielsweise Teilzeit) oder Entgeltsteigerung nach Lebensaltersstufen.
Weiterbildungsangebote oder die Verteilung der Arbeit können Benachteiligungen nach sich ziehen: Beispiele: Ältere, Teilzeitbeschäftigte oder andere Gruppen werden von Weiterbildungsmaßnahmen ausgenommen. Oder eine bestimmte Arbeit wird immer einer bestimmten Beschäftigtengruppe zugewiesen.
Beim beruflichen Aufstieg dürfen Sie beispielsweise Vollzeitbeschäftigte nicht gegenüber Teilzeitkräften bevorzugen bei gleicher Qualifikation und Eignung für eine Aufgabe. Hier könnte eine mittelbare Benachteiligung vorliegen, wenn im Unternehmen überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten und Führungspositionen zu besetzen sind. Ist das Unternehmen nicht bereit, grundsätzlich auch Führung in Teilzeit zuzulassen, würden Frauen möglicherweise benachteiligt.
Überprüfen sollten Sie kollektive Vereinbarungen, die sich aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen ergeben. Stichworte hierzu: die betriebliche Altersversorgung oder Dienstwagenregelungen.
Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sollten Sie auf einen diskriminierungsfreien Kündigungsgrund achten. Findet eine Kündigung auf Grund einer Sozialauswahl statt, sollten Sie die Kriterien, besonders Alter, überprüfen. Und auch bei der Berechnung einer Abfindung sollten Sie keines der acht Merkmale direkt oder mittelbar verletzten.
Weitere Empfehlungen
In einem Unternehmensleitbild oder einem Verhaltenskodex können sich Unternehmensleitung und Beschäftigte auf einen diskriminierungsfreien Umgang verständigen. Eine ähnliche Wirkung kann eine Betriebsvereinbarung haben, die freiwillig abgeschlossen werden kann. Generell ist es empfehlenswert, personelle Vielfalt im Unternehmen zu fördern und als einen Gewinn zu betrachten. Sie können ein deutliches Zeichen dafür setzen, wenn Sie die Charta der Vielfalt unterzeichnen.
Autor
Ulrike Heitzer-Priem
heitzer(at)rkw.de