Führungsleitlinien als Instrument verstehen, aufbauen und verankern
Zeitgemäße Unternehmensführung beschäftigt sich auch mit dem stattfindenden Führungshandeln. Führungsleitlinien bzw. das Führungsleitbild sind dabei Ausdruck und Wegweiser von Verantwortung und strategischem Gestaltungswillen.
Prolog
In mittelständischen Unternehmen ist das Thema Management und Führung noch anders zu betrachten, als in Konzernen. Während in einem Konzern ein führungsschwacher Manager eben nur einen kleinen Teil in einem großen System ausmacht, schlägt eine führungsschwache Vertriebschefin oder ein bei seinen Mitarbeitern nicht akzeptierter und zudem demotivierender Finanzchef viel deutlicher auf die Gesamtperformance des Unternehmens zurück.
Und wenn wir mit der Führung eines Managers nicht einverstanden sind, so müssen wir ihm sagen, was denn die "richtige" Führung in unserem Unternehmen ist. Und wenn wir junge Nachwuchsführungskräfte für unser Unternehmen ausbilden, müssen wir ihnen sagen, welche Führung wir von ihnen zukünftig erwarten. Und wenn wir neue Führungskräfte einstellen, müssen wir ihnen sagen, woran wir ihre Führung messen.
Und dazu müssen wir wissen, welche Führung in unser Unternehmen passt. Und wenn wir wissen, welche Führung passt, dann müssen wir sie aufschreiben und verbindlich machen. Sie ist dann Leitlinie und Leitbild für die Führenden und zugleich Einforderung von den Geführten. Sie gilt für alle Führungskräfte auf allen Hierarchieebenen. "Aber die Vertreter der obersten Führungsebene tragen eine ganz besondere Verantwortung. Sie haben bereits soviel Einfluss, dass alles was sie tun, eine erhebliche Wirkung auf das Organisationsfeld hat. Mit jedem Aspekt ihres Verhaltens, mit jedem Gespräch und mit jeder Handlung bringen sie zum Ausdruck, welche Werte sie im Hinblick auf die Organisation für wichtig halten." (Senge et al. 2008, S. 76)
Wobei die Führungsleitlinie nicht einen einzigen, für alle Situationen passenden Führungsstil beschreibt. Sie beschreibt das grundlegende Führungsverständnis, die Geisteshaltung. Führung ist vor allen Dingen zunächst einmal eine Frage der Haltung. Jenseits aller Persönlichkeitsunterschiede der Führungskräfte geht es um die verbindenden und tragenden Elemente. Und es geht darum, eine Verbindung zwischen Führungskräften und dem Führungsleitbild aufzubauen, in der sich die Führungskräfte zum Leitbild bekennen.
Ein Unternehmen veröffentlichte seine Führungsleitlinien einige Tage vor Beginn einer Führungskräfte Fortbildungsreihe über Mitarbeiterführung. Die Seminarteilnehmer, angesprochen auf ihre Meinung zu den neuen Leitlinien, äußerten sich erst gar nicht und dann auf Nachfrage. "Na ja, müssen wir ja so hinnehmen." Identifikation mit den Leitlinien war hier nicht vorhanden und musste erst im Laufe des Seminars, so gut es ging, nachgeholt werden. Leider wurde ebenso die vertrauensaufbauende Chance einer solchen gemeinsamen Leitlinienentwicklung vertan.
Um diese Identifikation, die Bereitschaft zum Einstehen für das Führungsleitbild, zu schaffen, ist es von den Führungskräften gemeinschaftlich zu entwickeln. Und das Leitbild erhält Leben durch Vorleben - von oben nach unten. Die Einführung eines Führungsleitbilds ist nicht nur ersehnte Führungshilfe, sondern bedeutet auch Pflicht. Sie kann Veränderung für die einzelne Führungskraft und mitunter für das gesamte System bedeuten. Und daraus kann Widerstand erwachsen und es wirkt das mächtige Beharrungsvermögen der alten, fest eingeübten Verhaltens- und Denkmustern.
Was müssen wir tun, um Führungsleitlinien einzuführen?
1. Bedeutung und Notwendigkeit klären
Welche Ziele, welche Absichten verfolgen wir mit dem Führungsleitbild? Wie werden wir die Zielerreichung feststellen? Sind die Ziele und Absichten ökologisch für unsere Organisation oder welche unerwünschten Nebenwirkungen gibt es?
2. Den Rahmen klären und Vorbereitungen treffen
Das Führungsleitbild ist letztendlich ein weiteres Instrument zur Unterstützung der Organisationsstrategie und zur Verfolgung der Organisationsziele. Ein auf Differenzierung vom Wettbewerber und hohe Innovationskraft ausgerichtetes Unternehmen wird eine andere Führungskultur und damit anderes Leitbild entwerfen und benötigen, als ein auf Kostenoptimierung ausgerichteter Massenartikelproduzent. Insofern sind Strategie und Ziele der Organisation vor der Leitbilderstellung zu klären. In einem separaten Strategieprozess, bestehend aus gezielten Analysen und intensiven Workshop(s), getrieben vom Top-Management, werden die auf die erwartbaren Zukünfte ausgerichteten Wettbewerbserfolgsfaktoren, der Weg zu ihrem Erreichen und die dazugehörigen Implementierungsmaßnahmen bestimmt. Daraus ergibt sich im Groben:
- Welche Art von Mitarbeitern benötigt wird
- Welche Art von Führung diese Mitarbeiter und die Organisation benötigen
- Welche Werte und Glaubenssätze da sein sollten
Wobei die Ergebnisse dieser Erkenntnisse selber Wettbewerbserfolgsfaktoren sein können.
3. Werte und Überzeugungen/Glaubenssätze klären
Werte sind die Maßstäbe, die wir anlegen. Werte und Glaubenssätze bestimmen unsere Gedanken, unsere Worte und unser Handeln. Die Führungsleitlinien setzen auf Ihnen auf. Welches sind die Werte und Glaubenssätze im und über das Unternehmen und dessen Umfeld?
4. Wer soll mitmachen?
Ist die Gruppe der Leitlinienerarbeiter größer, desto mehr Beteiligte sind diesen Führungsleitlinien verbunden, identifizieren sich unmittelbar mit ihnen und sind ihre Multiplikatoren. Zu kleine Gruppen erarbeiten "am grünen Schreibtisch" aus sehr begrenzter Perspektive und schaffen nur begrenzt Akzeptanz. Größere Gruppen bestehend aus Führungskräften, Mitarbeitervertretern und interessierten Mitarbeitern, zusammengesetzt aus den unterschiedlichen Fachlichkeiten und Abteilungen, stehen für ein durch die Organisation greifendes Miteinander.
5. Sorgen und Ängste aufnehmen und bearbeiten
Neuen Herausforderungen begegnen Menschen nicht nur rational und Chancen erkennend, sondern sie wägen vor allem auch Verluste am Bisherigen (Komfortzone, Verhalten, Status, ...) ab. Verlust- und Versagensängste sind regelmäßig emotionale Begleiter von Veränderungsprozessen. Sprechen Sie die Themen an. Klären Sie die Erwartungen, den Zeitablauf, welche Unterstützungen werden gegeben. Geben Sie Raum, damit die Sorgen und Nöte herausgearbeitet werden, Gehör finden und geklärt werden.
6. Führungsleitbild definieren
In der Regel gilt es, das gefundene Führungsleitbild zu verschriftlichen. Ob dieses noch einmal redaktionell nachbearbeitet und vielleicht grafisch gestaltet wird oder eher in der erarbeiteten Urform belassen wird, richtet sich nach dem Selbstverständnis der Organisation und der Art und Weise, wie das Führungsleitbild veröffentlicht und evtl. weitergeben werden soll. Wichtig ist, dass es bei einer Nachbearbeitung zu keiner Verfremdung kommt. Gegebenenfalls kann denjenigen, die das Leitbild erarbeitet haben, die Endfassung noch einmal vorgelegt und Einwände abgefragt werden.
7. Transfer sichern - Leitbild fest im Denken und Handeln verankern
Es gibt Unternehmen, die erarbeiten eine Führungsleitlinie und veröffentlichen sie dann nicht, weil dazu Erläuterungsgespräche der Führungskräfte mit Ihren Mitarbeitern, eine Erläuterung der Geschäftsführung auf einer Betriebsversammlung oder per E-Mail gemacht werden müssen oder vielleicht noch keine überzeugende Verschriftlichung gefunden worden ist. Dann wird nichts Bedeutendes passieren. Wieder eine (noch nicht einmal vorliegende) Anweisung, die keiner beachtet und eine Mitarbeit, die sich nicht gelohnt hat. Neuerungen in einer Organisation dauerhaft zu implementieren, kann lange dauern. Es muss immer wieder erinnert, überprüft und nachjustiert werden. Die "höheren" Führungskräfte, angefangen beim Top-Management, leben vor, holen sich Feedback zu ihrem eigenen Führungsverhalten in Bezug auf das Führungsleitbild, und thematisieren mit den Führungskräften ihres Bereiches deren Führungshandeln - vorleben und einfordern.
Fazit
Führungsleitlinien sind strategisches Instrument in einer Zeit von Fachkräftemangel und dem Bewusstsein, dass Erfolge aus Zusammenarbeit entstehen. Sie klären die Art und Weise unserer Zusammenarbeit und wirken zur nachhaltigen Wertschöpfung.
Literatur
Senge, P. M., Kleiner, A., Smith, B. Roberts, C., Ross, R.: Das Fieldbook zur Fünften Disziplin. 2008. Stuttgart: Schöffer-Poeschel.
Autor
Claus-Dieter Piontke
pi-cct(at)managemententwickler.de