Für Unternehmen wird es immer schwieriger auf dem deutschen Ausbildungsmarkt geeignete Auszubildende zu finden. Umso häufiger kommt es vor, dass Unternehmen Auszubildende aus anderen Ländern rekrutieren. Im Dezember 2020 hielten sich schon ca. 27.000 Drittstaatsangehörige im Rahmen einer betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland auf. ?Drittstaatsangehörige? ist ein Rechtsbegriff aus dem Asyl- und Ausländerrecht der Europäischen Union. Er wird im Wesentlichen zur Bezeichnung derjenigen Staatsangehörigen verwendet, die vom Recht auf europarechtliche Freizügigkeit ausgeschlossen sind.
In diesem Artikel werden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausbildung von Personen aus einem Drittstaat dargelegt:
- Welcher Schulabschluss muss vorliegen?
- Wie gut müssen die Auszubildenden Deutsch sprechen?
- Wie viel Geld muss den Auszubildenden monatlich zur Verfügung stehen?
Besonderheiten der dualen Ausbildung
Unternehmen sollten bei der Rekrutierung von ausländischen Auszubildenden berücksichtigen, dass sich die Ausbildungsstruktur und insbesondere auch die Relevanz der Berufsausbildung von Staat zu Staat deutlich unterscheiden. In Deutschland hat die duale Ausbildung einen hohen Stellenwert und genießt gleichzeitig weltweites Ansehen.
Die Vorteile einer Berufsausbildung in Deutschland müssen bei der Auslandsrekrutierung besonders betont und der hohe Stellenwert in Deutschland hervorgehoben werden. Unternehmen sollten das Ausbildungssystem, bestehend aus praktischer Arbeit im Betrieb und theoretischem Unterricht in der Berufsschule, erläutern. Ebenso ist es für potenzielle ausländische Auszubildende interessant, welche Berufsaussichten und möglicherweise auch Weiterbildungsmöglichkeiten sich im Unternehmen bieten.
Rechtliche Voraussetzungen
Die rechtliche Grundlage für eine duale Berufsausbildung in Deutschland ist, unabhängig von der Herkunft der Auszubildenden, immer das Berufsbildungsgesetz.
Darüber hinaus müssen Bürger*innen aus den EU-Mitgliedstaaten sowie aus Island, Lichtenstein, Norwegen und der Schweiz keine weiteren Einreiseregeln beachten. Auszubildende aus einem Drittstaat hingegen müssen einige Anforderungen für die Einreise nach und den Aufenthalt in Deutschland berücksichtigen.
Für die Einreise aus einem Drittstaat wird ein Visum benötigt, dass bei der Deutschen Botschaft im Heimatland beantragt werden kann. Dafür muss u. a. ein Ausweisdokument vorhanden sein, um die Identität des/der Auszubildenden zu bestätigen. Zum Zeitpunkt der Einreise müssen ausländische Auszubildende ein bestimmtes Sprachniveau beherrschen und den Lebensunterhalt durch die Ausbildungsvergütung eigenständig sichern. Auch ein Ausweisungsinteresse darf nicht bestehen, was z. B. dann der Fall wäre, wenn die Person innerhalb der letzten zwei Jahre abgeschoben worden wäre.
Schulabschluss
Grundsätzlich gibt es keine Mindestanforderungen an den Schulabschluss ausländischer Auszubildender. Die Prüfung der Eignung des/der Auszubildenden liegt daher, wie bei deutschen Auszubildenden auch, beim Unternehmen. Anhand der Vorselektion durch Prüfung der Bewerbungsunterlagen und das Führen von Bewerbungsgesprächen trifft das Unternehmen die Entscheidung, ob der/die Auszubildende für die Stelle geeignet ist. Das Prüfungsergebnis wird im Visumverfahren in der Regel auch von der zuständigen Auslandsvertretung übernommen. Sollten begründete Zweifel bestehen, kann die Eignung in Ausnahmefällen jedoch hinterfragt werden. Geprüft wird in diesem Fall vor allem, ob er/sie in der Lage sein wird, dem Unterricht in einer deutschen Berufsschule zu folgen. Neben der Einschätzung des Unternehmens werden dabei auch die Deutschkenntnisse sowie die Vorbildung des/der Auszubildenden berücksichtigt.
Sprache
Für die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung muss der/die Auszubildende über deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) verfügen. Der Ausbildungsbetrieb kann in Ausnahmefällen bestätigen, dass ein niedrigeres Sprachniveau ausreicht, jedoch muss die zuständige Berufsschule dem ebenfalls zustimmen.
Verfügt der/die ausländische Auszubildende vor Ausbildungsstart noch nicht über ausreichende Sprachkenntnisse, können verschiedene Lösungsansätze genutzt werden. Zum einen besteht die Möglichkeit, einen vorgelagerten Sprachkurs als Bestandteil der Ausbildung zu absolvieren. Bei dieser Konstellation muss berücksichtigt werden, dass auch während der Teilnahme an einem solchen Sprachkurs der Lebensunterhalt gesichert sein muss - entweder durch ein regelmäßiges Einkommen, oder durch vorhandenes Vermögen, das in einem Sperrkonto hinterlegt wird. Zum anderen bieten verschiedene Berufsschulen Integrationsklassen an, in denen z. B. zusätzliche Sprachkurse angeboten werden.
Sicherung des Lebensunterhalts
Wie eingangs erwähnt, ist die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes eine zentrale Voraussetzung für den Aufenthalt in Deutschland. Als Maßstab werden die aktuellen Bafög-Sätze herangezogen. Es wird davon ausgegangen, dass Auszubildende, die nicht im Hause der Eltern leben, einen ähnlichen Finanzbedarf wie Studentinnen und Studenten haben. Dadurch gilt der Lebensunterhalt 2022 ab einer Vergütung von 723 EUR netto pro Monat als gesichert. Damit sollen unter anderem die monatlichen Wohn- und Verpflegungskosten getragen werden. Zudem sollte dem/der Auszubildenden ein gewisses "Taschengeld" zur Verfügung stehen.
Unternehmen haben auch die Möglichkeit, Teile der geforderten Summe zu kompensieren. Stellt das Unternehmen dem/der Auszubildenden eine kostenfreie Wohnung zur Verfügung, reduziert sich der Betrag um 325 EUR. Bei kostenfreier Verpflegung kann ein Betrag in Höhe 150 EUR angerechnet werden. Weitere Möglichkeiten zur Finanzierung des Aufenthaltes zum Zwecke einer Ausbildung sind die Beantragung von Berufsausbildungsbeihilfe oder die Erstellung einer Verpflichtungserklärung durch Dritte.
Prüfung der Bundesagentur für Arbeit
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) prüft vor Einreise des/der Auszubildenden den Ausbildungsvertrag und das damit verbundene Beschäftigungsverhältnis. Geprüft werden die Beschäftigungsbedingungen, wie z.B. das Gehalt und die Arbeitszeiten. Darüber hinaus wird eine Vorrangprüfung durchgeführt. Es wird also geprüft, ob bevorrechtigte Bewerberinnen oder Bewerber aus Deutschland oder der EU für den Ausbildungsplatz in Frage kommen. Um schon vor Abschluss des Ausbildungsvertrages oder vor der Visumsbeantragung Sicherheit für Unternehmen und Auszubildende zu schaffen, können Unternehmen eine Vorabprüfung bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen
Was ist nach der Ausbildung?
Ein Unternehmen kann langfristig mit dem/der ehemaligen Auszubildenden als Fachkraft planen. Denn mit erfolgreichem Abschluss der Ausbildung sprechen wir von einer Fachkraft, die einen Aufenthaltstitel für bis zu 4 Jahre beantragen kann. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines Arbeitsplatzangebotes. Im Anschluss an die 4 Jahre besteht für die Fachkraft die Möglichkeit, eine Niederlassungserlaubnis für den Daueraufenthalt in Deutschland zu beantragen.
Soll nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung die Zusammenarbeit beendet werden, kann die Aufenthaltserlaubnis um bis zu ein Jahr verlängert werden. In dieser Zeit kann der Absolvent/die Absolventin eine der Ausbildung angemessene Tätigkeit suchen.
Sollte die Ausbildung jedoch vorzeitig beendet werden, dann muss das Unternehmen dies innerhalb von 4 Wochen ab Kenntnis der zuständigen Ausländerbehörde melden.
Wie können Unternehmen die Integration erleichtern?
Ziel sollte es sein, den/die Auszubildende*n nachhaltig im Unternehmen und auch in der Gesellschaft zu integrieren. An dieser Stelle können Unternehmen vielfältig unterstützen, beispielsweise durch die Begleitung bei Behördengängen, durch Hilfestellung bei der Wohnungssuche, durch das Benennen von Ansprechpartner*innen, durch Informationen zur Stadt bzw. zur Region. Auch soziale Aspekte können Berücksichtigung finden. Bei außerbetrieblichen Aktivitäten sollte der/die Auszubildende von Beginn an involviert werden, um den Start zu erleichtern. Insgesamt hat es sich bewährt, nach der Rekrutierung ausländischer Auszubildender in die betriebliche und soziale Integration zu investieren. Bewährt hat sich auch, frühzeitig die sprachliche Ausbildung zu fördern, z. B. durch Intensiv-Sprachkurse vor Ausbildungsstart oder den Besuch von Integrationsklassen in der Berufsschule. All das sind Faktoren, die das Ankommen erleichtern, Stichwort Onboarding! Weitere Tipps, wie Unternehmen das Ankommen ihrer ausländischen Auszubildenden optimal vorbereiten und begleiten, finden Sie im Artikel "Onboarding von Mitarbeitenden anderer Nationalitäten zu Zeiten von Corona".
Praxistipps
- Die Bundesagentur für Arbeit prüft auf Antrag schon vor dem Einreiseverfahren in Form einer Vorabprüfung die Beschäftigungsbedingungen und führt die Vorrangprüfung durch. Das positive Ergebnis gibt Planungssicherheit, dass das Ausbildungsverhältnis gestartet werden kann.
- Die deutschen Auslandsvertretungen informieren auf ihren Internetseiten über einzureichende Unterlagen für den Visumantrag. Ebenso werden von einigen Auslandsvertretungen die Wartezeiten auf einen Termin zur Beantragung des Visums veröffentlicht. Checklisten unterstützen bei der Vorbereitung des Termins und der Zusammenstellung aller Dokumente.
- Bei langen Wartezeiten kann das beschleunigte Fachkräfteverfahren über die zuständige Ausländerbehörde gestartet werden. Zeitlich klar definierte Bearbeitungsfristen geben Unternehmen Planungssicherheit. Mehr Informationen zum Verfahren finden Sie im Artikel "Gestaltungsmöglichkeiten im Personalwesen durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz"
- Einige Berufsschulen bieten Integrationskurse oder separate Sprachkurse für ausländische Auszubildende an, die den Start in Deutschland erleichtern können.
- Die Nutzung von Netzwerken: Vielleicht gibt es andere Unternehmen, die ebenfalls Auszubildende aus dem Ausland rekrutieren möchten. Auch Sprachschulen im In- und Ausland könnten interessante Kooperationspartner sein.
Quellen
- Graf, Johannes (2021): Monitoring zur Bildungs- und Erwerbsmigration: Erteilung von Aufenthaltstiteln an Drittstaatsangehörige. Jahresbericht 2020. Berichtsreihen zu Migration und Integration, Reihe 1. Nürnberg: Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
- Statistisches Bundesamt (2021): Duale Berufsausbildung: Historischer Rückgang der Zahl neuer Ausbildungsverträge im Jahr 2020, in: Pressemitteilung Nr. 379 vom 11. August 2021. Wiesbaden: Destatis.
Autoren
Ingo Henning
henning(at)rkw-nord.de
Lars Mund
mund(at)rkw-nord.de
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