Auch mittlere und kleine Unternehmen sind zunehmend international aktiv und entsenden Mitarbeiter ins Ausland. Gerade für diese noch relativ unerfahrene Zielgruppe ist es besonders wichtig, sich mit dem Thema Auslandsentsendung von Mitarbeitern intensiv zu befassen und die einzelnen Schritte einer Entsendung sorgfältig zu planen, um spätere Probleme zu vermeiden.
Dieser Beitrag hilft bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter und bei der Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes. Naturgemäß sind die Ziele, die mit einer Auslandsentsendung verfolgt werden, beim Unternehmen einerseits und bei den Mitarbeitern andererseits unterschiedlich.
Ziele von Unternehmen und Mitarbeitern
Unternehmen haben vor allem folgende Ziele:
- Bessere Kommunikation zwischen Stammhaus und Auslandstochter/-niederlassung
- Verbesserung des Kontaktes zu wichtigen Kunden im Zielland
- Fortbildung von Führungskräften des Gastlandes
Hauptbeweggründe von Mitarbeitern sind:
- Größere Verantwortung am Arbeitsplatz
- Mehr Selbständigkeit
- Schnellere berufliche Qualifizierung
- Verbesserung von Karrierechancen
- Einkommenssteigerungen
- Interesse an fremden Kulturen sowie Abenteuerlust
Häufiger als oft gedacht, werden jedoch die Ziele des Unternehmens und/oder des Entsandten nicht erreicht und es kommt zum vorzeitigen Abbruch des Auslandsaufenthaltes. Aber selbst wenn der Aufenthalt nicht abgebrochen wird, ist noch nicht gesagt, dass der Aufenthalt auch wirklich erfolgreich war.
Als Hauptgrund wird häufig das gescheiterte Bemühen des Mitarbeiters und/oder seines Partners, sich dem neuen räumlichen und kulturellen Umfeld anzupassen, gesehen.
Der Kulturschock
Er baut sich durch viele kleine Vorkommnisse auf. Ein Kulturschock kann sich beispielsweise in Heimweh und Ablehnung von allem, was mit dem Gastland zusammenhängt, äußern. Auch Erscheinungsweisen wie Anspannung, Frustration, Hang zum Alleinsein und Depressionen sind möglich. Sogar körperliche Symptome wie Schlafstörungen und Bluthochdruck können bei einigen Betroffenen beobachtet werden.
Der Kulturschock kann in einen Zyklus mit vier Phasen eingeteilt werden:
- Die Begeisterung und Faszination durch die neue Kultur und das Fremde; dieses wird als interessant und spannend empfunden. Schon nach kurzer Zeit folgen jedoch die ersten Schwierigkeiten im Umgang mit Angehörigen der Gastlandkultur.
- Der anfängliche Enthusiasmus ist vorüber. Die Erkenntnis, daß die Unterschiede größer sind als anfangs angenommen, erzeugt Frustrationen und ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Die eigene Kommunikationsfähigkeit wird angezweifelt.
- Überwindung des Gefühls der Isolierung und graduelle Anpassung an die fremde Kultur. Die Zufriedenheit und Zuversicht, die Schwierigkeiten bewältigen zu können, steigen an.
- Das alte Orientierungssystem wird modifiziert; es erfolgt eine weitgehende Anpassung an Regeln und Verhaltensweisen der Gastlandkultur.
Dauer und Intensität des gesamten Anpassungsprozesses und der einzelnen Phasen, auch ob ein entsandter Mitarbeiter den Zyklus ein oder mehrere Male erlebt, sind nicht vorhersagbare Faktoren, die individuell sehr unterschiedlich erlebt und verarbeitet werden. Ein interkulturelles Training für den Mitarbeiter und seine Angehörigen kann helfen, den Kulturschock abzumildern.
Anforderungen an Entsendungskandidaten
Nach wie vor werden zu entsendende Mitarbeiter vor allem nach fachlichen Gesichtspunkten ausgewählt. Es ist sicher nicht überzogen, einen Zusammenhang dieser Denkweise mit der Vielzahl gescheiterter Entsendungen zu sehen. Aufgrund der vorliegenden Erfahrungen ist den Unternehmen anzuraten, fachliche Eignung lediglich als ein Kriterium zu sehen - unter Umständen sogar als eines, das für Erfolg oder Mißerfolg im Ausland gar nicht entscheidend ist.
Sehr wichtig sind neben soliden Fachkenntnissen vor allem folgende Kompetenzen beziehungsweise Merkmale:
- Sozialkompetenz (zum Beispiel Empathie, Teamfähigkeit)
- Selbstkompetenz (Belastbarkeit, Frustrationstoleranz, Umgehen-können mit komplexen Situationen)
- Persönliches/Berufliches Umfeld (emotionale Stabilität, physische Belastbarkeit, stabile Familiensituation, Unterstützung durch den Lebenspartner)
Vorbereitung auf die Entsendung
Während bis vor einigen Jahren Vorbereitung auf die Entsendung eher als Luxus gesehen wurde (nach dem Motto "habe ich auch nicht bekommen", "wer gut ist, setzt sich auch so durch"), ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass eine gute Vorbereitung dem Unternehmen und seinem Mitarbeiter hilft, erfolgreich zu arbeiten.
Checkliste zur Vorbereitung
- Vergütung (Home-Base-Ansatz, eventuell Netto-Zusage, Lebensunterhaltungskosten-Ausgleich, Standort-Bonus)
- Zusatzleistungen (Mietfreies Wohnen, Erhaltungskosten für den Inlandswohnsitz, Umzugs- und Transportkosten, Erstattung der Hin- und Rückreisekosten)
- Zuschüsse für Familienangehörige (Erstattung der Gebühren für die deutsche Schule im Ausland; Unterstützung des Ehepartners)
- Vorbereitungen ("Look and See-Trip"; Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen; interkulturelles Training, Fremdsprachenkurse, Übernahme von Behördengängen etc.)
- Versicherungen (private Zusatzversicherungen, deutsche Sozialversicherung)
- Mobilität vor Ort (Dienstwagen, gegebenenfalls Heimflüge)
- Reintegration (Aufgaben des Mitarbeiters nach seiner Rückkehr)
Zur Ergänzung einer sorgfältigen Auswahl sollte eine gezielte Vorbereitung des Mitarbeiters und seiner mitausreisenden Familie gehören. Diese Vorbereitung sollte mindestens folgende Elemente enthalten:
- Sprachkurs
- landeskundliches und interkulturelles Training
- "Schnupperreise" (Look-and-see-trip)
Vorbereitung der Angehörigen
Weitere Möglichkeiten, sich auf die Auslandstätigkeit vorzubereiten, können beispielsweise Gespräche mit Angehörigen des Gastlandes sein. Auch auf die mitreisende Familie des Entsandten kommen beim Auslandseinsatz erhöhte Belastungen zu.
Untersuchungen über vorzeitige Abbrüche von Auslandsentsendungen ergaben, dass viele Entsendungen aufgrund der mangelnden Anpassungsfähigkeit der Lebenspartner oder der Familie scheitern. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass Lebenspartner und Familie an den Vorbereitungsmaßnahmen teilnehmen.
Folgende Punkte gehören zu den Mindestvoraussetzungen für eine effektive Vorbereitung:
- frühzeitige Entsendungsentscheidung
- detaillierte Stellenbeschreibung der neuen Position
- Freistellung des Mitarbeiters für die Vorbereitungsmaßnahmen
Interkulturelles Training
Ziele interkulturellen Trainings vor der Auslandsentsendung sind aus Sicht der Unternehmen vor allem:
- landeskundliche Informationen vermitteln
- eigene Wertestandpunkte überprüfen und kulturgebundene Verhaltensweisen erkennen
- Empathie und Einfühlungsvermögen entwickeln
- Verhaltensweisen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit lokalen Mitarbeitern kennenlernen (und ggf. einüben)
- negative Auswirkungen von Vorurteilen und Diskriminierung erkennen
Natürlich gibt es unterschiedliche Herangehensweisen für die Vermittlung interkultureller Kompetenzen. Einige Ansätze sind rein informationsorientiert, d.h. die Teilnehmer werden hauptsächlich durch Vorträge, Filme und anderes Informationsmaterial geschult.
Andere Trainings beschränken sich darauf, den Teilnehmern den Einfluß von Kultur auf Wahrnehmung und Verhalten bewußt zu machen. Dabei werden eigene kulturell beeinflußte Handlungsweisen denen einer fremden Kultur gegenübergestellt.
Weitere Methoden sind Simulationsübungen in Rollenspielen oder das sogenannte "Culture Assimilator-Training". Beim Culture Assimilator werden Situationen beschrieben, in denen Mitglieder unterschiedlicher Kulturen aufeinander treffen und die ein gewisses Konfliktpotential beinhalten. Diese Situationen sollen interpretiert werden, was nur durch Verständnis für die fremde Kultur möglich ist.
Arbeitsvertrag/Entsendevertrag
Alle ausgehandelten Punkte sollten in einem Entsendevertrag schriftlich niedergelegt werden, um spätere Konflikte zu vermeiden. Die Form des Entsendevertrags hängt von der Dauer des Auslandseinsatzes ab. So reicht bei einer Entsendung von bis zu drei Monaten eine Dienstreiseregelung aus; eine entsprechende Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag ist bei einem Aufenthalt von bis zu drei Jahren möglich.
Bei längeren Auslandseinsätzen gibt es zwei Möglichkeiten: Der bisherige Arbeitsvertrag besteht neben einem befristeten Arbeitsvertrag mit der Auslandsgesellschaft in ruhender Form weiter, oder er wird - verbunden mit der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses im Ausland - aufgelöst:
- Dienstreisereglung (bis maximal drei Monate); Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag (bis maximal 36 Monate)
- ruhender deutscher Arbeitsvertrag/aktiver ausländischer Arbeitsvertrag (länger als 36 Monate)
- Aufhebung des deutschen Arbeitsvertrags /neuer ausländischer Arbeitsvertrag (Dauer unbestimmt)
- - Vereinbarung der Anwendbarkeit deutschen Rechts
- - Gerichtsstandsvereinbarung (Sitz des Arbeitgebers)
- - klare Regelung zur Dauer der Entsendung
- - Festlegung des ausländischen Arbeitsorts (eventuelle Versetzungsmöglichkeit)
- - eventuelle Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots
- - Fortgeltung der betrieblichen Altersversorgung
Betreuung während des Auslandsaufenthalts
Häufig entstehen während der Auslandsentsendung Probleme, weil die Kommunikation zwischen dem Haupthaus und dem Mitarbeiter im Ausland unzureichend ist, sich dieser allein gelassen fühlt etc. Deshalb haben mittlerweile viele Firmen ein Mentorensystem eingerichtet.
Dies bedeutet, dass bereits vor der Ausreise ein fester Ansprechpartner für den Auslandsmitarbeiter benannt wird, der als "one-stop-shop" für alle Fragen des Auslandsmitarbeiters zur Verfügung steht und eine kontinuierliche Betreuung gewährleistet.
Reintegration
Eine kritische Situation ist auch die Rückkehr nach einem Auslandsaufenthalt. Erleichtert wird die Wiedereingliederung durch klare (vertragliche und informelle) Absprachen vor der Ausreise, die Unterstützung des Mentors (z.B. bei Wohnungssuche, Versicherungsfragen etc.) beziehungsweise der Abteilung, in die der Mitarbeiter zurückkehrt und frühzeitige Entscheidung über das Aufgabengebiet nach der Rückkehr.
Wenn der entsandte Mitarbeiter ohne solche Unterstützung zurückkehrt, besteht die Gefahr, dass er sich als "fünftes Rad am Wagen" empfindet und seine Motivation nachhaltig beschädigt wird.
Auslandsentsendung: Checkliste für KMU
1. Anforderungsprofil / Mitarbeitersuche
- Einsatzdauer klären
- Anforderungen und gewünschte Qualifikationen klären (Anforderungsprofil, Stellenbeschreibung)
- Geeignete Mitarbeiter a) im Betrieb identifizieren oder b) extern rekrutieren
- Mitarbeiterauswahl durch Interviews
2. Rahmenbedingungen klären
- Gehalt mit Auslandszulagen kalkulieren
- Steuern im Entsendeland (Doppelbesteuerungsabkommen?)
- Kranken- und Unfallversicherung im Ausland
- Nebenkosten (Umzug, Gebühren Schule bzw. Kindergarten, Mietzuschuß, weitere Einmalzahlungen)
- Reisekosten pro Jahr, Urlaubsregelungen
3. Vertragsverhandlungen und Entscheidung
- Vertragsentwurf vorbereiten
- Vertrag mit Mitarbeiter diskutieren, offene Fragen erörtern
- Vertragsunterzeichnung
4. Ausreisevorbereitung
- Angebote von Umzugsunternehmen einholen, Auftrag erteilen
- Gültige Pässe?, Visum, Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis beantragen
- Sprachtraining?
- Interkulturelles Training bei einem renommierten Anbieter
- Kranken- Unfallversicherung abschließen
- Sozialversicherungsstatus und Steuerfragen klären
5. Betreuung im Ausland
- ständigen Ansprechpartner im Stammhaus benennen (Informationsfluss)
- Buchhaltung: Gehaltzahlungen, Reisekostenerstattungen
- Gehaltsanpassungen
6. Vorbereitung und Organisation der Rückkehr
- Mitarbeiter über geeignete Stellen informieren bzw. Absprachen über zukünftigen Einsatzort/Verantwortung
- Wiedereingliederungsgespräch mit Mitarbeiter führen
- Beratung und Unterstützung bei Arbeitsplatzsuche des Ehepartners/der Partnerin
- Fortlaufende Beratung des Mitarbeiters
Autor
Michael Rosemeyer
rosemeyer(at)intertraining-chinaservice.de