Die Personalsuche im Ausland steht bei einigen Unternehmen bereits hoch im Kurs. Gleichzeitig zeigen die ersten Erfahrungen, dass sowohl die Einarbeitung als auch längerfristige Integration der neuen Kollegen unterschätzt wird. Nicht selten führt dies zum Abbruch des Arbeitsverhältnisses. Ein Baustein können maßgeschneiderte Trainings für die Betroffenen sein. Der folgende Beitrag enthält einen Vorschlag wie ein konkretes Workshopdesign aussehen kann, um ausländische Fachkräfte (und gegebenenfalls ihre Partner) bei der Integration im Betrieb und auch in Deutschland zu unterstützen.
Workshopdesign Interkulturelles Training "Leben und Arbeiten in Deutschland"
Für wen?
Internationale Fachkräfte und ihre (Ehe-)Partner, die neu in Deutschland beziehungsweise im Betrieb sind.
Was kann erreicht werden?
Die Fachkräfte und Familien bekommen Zeit und Raum, um etwas über deutsche (Arbeits-)Kultur und über die Betriebskultur zu erfahren. Außerdem erhalten sie Orientierung zu ihren Fragen. Sie lernen wichtige Werte, Haltungen und deren Ausdrucksweisen im deutschen Umfeld kennen und werden sich dabei der eigenen Werte und Gewohnheiten bewusst. Sie werden für Unterschiede sensibilisiert, entdecken aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen. Darüber hinaus entwickeln sie Ideen wie sie mit den kulturellen Unterschieden umgehen und wie sie Irritationen vermeiden können. Idealerweise erhalten sie auch Hinweise an wen sie sich im Konfliktfall wenden können.
Für Unternehmen bietet die Vorbereitung dieses Trainings die Chance, sich seiner Besonderheiten und zentralen Werte zu vergewissern, die den Teilnehmern vermittelt werden sollen.
Zeitaufwand
Durchführung: ein Tag. Hinzu kommt Vorbereitung.
Wann einsetzen?
Das Training sollte idealerweise am Anfang des Integrationsprozesses (in den ersten zwei Monaten) stehen. Im Idealfall nehmen mehrere internationale Fachkräfte gleichzeitig teil. Diese können aus einer oder verschiedenen Kulturen kommen.
Zuvor sollte bereits der Bedarf an Informationen gestillt worden sein, damit im Workshop nicht mehr allzu viele rein alltagspraktische Fragen (z. B. "Was bekomme ich wo? Wie eröffne ich ein Konto" usw.) behandelt werden müssen.
Ein interkulturelles Training, das erst nach Monaten Aufenthalt stattfindet, kann auch noch Sinn machen, hätte jedoch einen anderen Charakter.
Wie wird's gemacht?
Die Vorbereitung umfasst vor allem die individuelle Überlegung, welche Themen für die Teilnehmer wichtig sind, um im Umgang mit Deutschen im Alltag und insbesondere im Unternehmen zurechtzukommen. In der Regel gehören hier dazu:
Umgang miteinander am Arbeitsplatz und im Privatleben: Zum Beispiel Umgang und Beziehung mit Fremden/Freunden/ Kollegen, werden Arbeit und Privatleben/Kollegen und Freunden getrennt oder auch gern verbunden (Nähe/Distanz, Formalität/Informalität), Umgang mit persönlichen Themen (Religion, Familien usw.).
Kommunikation und die Kommunikationsstile: Wie und was man miteinander spricht (als Nachbarn, Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzte) und auch worüber man nicht spricht, welche Rolle "small talk" und beziehungsstiftende Kommunikation spielt, wie man Feedback gibt und Konflikte thematisiert usw.
Planung und Zeitmanagement: Wo und wann Pünktlichkeit in welcher Weise bei Arbeit und Privatleben erwartet wird, welche Rolle Planung gegenüber Spontanität und Handlungsorientierung spielt, wie mit Fristen umgegangen wird usw.
Arbeitsweisen und Vorgehen: Wo gibt es verbindliche Prozesse und Regeln, wo gibt es Spielräume und wann werden Ausnahmen akzeptiert, welchen Stellenwert hat Kreativität und Risikobereitschaft, usw.
Eigenverantwortlichkeit und Teamarbeit: Welche Erwartungen gibt es, arbeitet man eher allein oder zusammen, wie oft darf man nach Hilfe fragen oder wie sieht Zusammenarbeit aus, usw.
Umgang mit Vorgesetzten und Hierarchien: Erwartungen an die Rollen Chef-Mitarbeiter, Häufigkeit und Art des Kontaktes untereinander, welche Verantwortung hat wer wofür, Gewichtung von Anweisungen/Eigenständigkeit, Umgang mit Fehlern, Lob und Kritik, usw.
Entsprechende Werte, Haltungen, Gepflogenheiten können in Bezug auf die deutsche Kultur und die Herkunftskulturen der Mitarbeiter im Workshop verglichen werden. Im Allgemeinen macht es Sinn, hier auch auf der Ebene der Region und vor allem des Betriebes zu überlegen: Wie geht das (Thema xy) hier bei uns? Worauf legen wir Wert? Was muss man wissen, wenn man sich hier integrieren will? Oder noch spezifischer: Wie machen wir hier z. B. Softwareprojekte? Was kennen wir da für Rollen, Kommunikationsformen miteinander usw.
Diese Darstellung bietet den ausländischen Fachkräften Gelegenheit zu überlegen: Und wie ist/war das bei uns? Was sind wir gewohnt? Was ist vielleicht ähnlich und was ist ganz anders? Wo kann ich mich leicht anpassen und wo muss/will ich einen anderen Standpunkt beibehalten. Was brauche ich, um zu lernen und um mich anpassen zu können?
Das Programm sollte allgemein kulturelle als auch besonders arbeitsrelevante Themen beinhalten, so dass die Teilnehmer als "ganze Menschen" angesprochen werden. Im Ablauf kann man allgemeine und arbeitsspezifische kulturelle Themen auch jeweils zeitlich konzentrieren, so dass involvierte Familienmitglieder etwa nur vormittags oder nur nachmittags am Training teilnehmen und dann auch besonders mit einbezogen werden.
Beispiel
In einem mittelständischen Betrieb für Automobilzulieferung mit 500 Mitarbeitern sind in den vergangenen drei Monaten fünf Ingenieure und zwei Ingenieurinnen aus Spanien, Polen und Ungarn eingestellt worden. Vier sind mit ihren Ehepartnern und teilweise Kindern zugezogen.
Vorgehensweise für die insgesamt elf Teilnehmer
- Relevante Teilnehmer definieren, einladen mit Zielerklärung
- Definieren: Welche Themen sollen vermittelt werden (beispielsweise siehe oben), welche Reflexionen sind notwendig,
- was können wir im Falle von Irritationen und Schwierigkeiten anbieten (Ausblick)
- Externe und interne Moderation festlegen, Ansprechpartner/Verantwortlichen im Betrieb finden, Vorgehen und Inhalte abstimmen
- Gemeinsames Mittagessen als Möglichkeit des Austausches organisieren
- Raum vorbereiten
Ablauf
Zeitbedarf | Thema | Methode/ Sonstiges |
1,5 h | Vorstellen der Teilnehmer, Ziel und Ablauf der Veranstaltung | Interakiv |
1,0 h | Was ist uns aufgefallen? Was hat uns überrascht? Welche Themen interessieren uns besonders? Warum? | Sammlung
Erzählen und erklären lassen |
1,5 h | Einstieg mit einem Praxisbeispiel, in dem sich einige wichtige zu besprechende deutsche/ regionale/ betriebliche Werte und Haltungen einerseits abbilden sowie ein konträres Verhalten | Wichtig ist keine wertende Haltung einzubauen
Analyse durch zwei Teilnehmergruppen |
0,5 h | Anhand des Beispiels fragen, wo Teilnehmer selbst stehen, wie sie Verhalten einordnen | |
Gemeinsame Mittagspause | ||
1,0 h | Darstellung deutscher Werte, Detaillierung zu Region und Betrieb;
Wo machen sie sich im Alltag bemerkbar? Was ist hier im Betrieb zentral? |
|
1,0 h | Diskussion über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Teilnehmern | |
1,0 h | Fragerunde | |
0,5 h | Hilfestellung bei Anpassung, Anlaufstellen im Betrieb | Sinnvoll klarzustellen, wo Anpassung erwartet wird und wo nicht? |
Abschluss |
Autorin
Ricarda Gregori
rc.gregori(at)con-cipio.de